Edward Albee: Katz und Maus - und Whiskey

Drei Mal gewann Edward Albee den Pulitzer-Preis, hier 1967 für „A Delicate Balance“. Sein berühmtestes Werk ist „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“.
Drei Mal gewann Edward Albee den Pulitzer-Preis, hier 1967 für „A Delicate Balance“. Sein berühmtestes Werk ist „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“.(c) AP/picturedesk.com
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So düster wie Eugene O'Neill, so mystisch wie Thornton Wilder, oft böse und manchmal abgrundtief witzig: Der US-Dramatiker Edward Albee starb mit 88 Jahren in Montauk.

„Ich erschaffe keine Figuren, sondern Menschen“, korrigierte Edward Albee die Interviewerin, mit der er im Magazin „The Believer“ ein Lieblingsspiel seiner Bühnencharaktere spielte: Katz und Maus. Er entlarvt ihr Unwissen, gibt Fragen zurück und sondert Bonmots ab. Eines geht ungefähr so: Die Leute sollen lieber nicht über sich selbst schreiben, denn niemand weiß etwas über sich selbst.

Damit ist schon viel über Albee gesagt, kein umgänglicher Mann, ein kühler Durchschauer. In seinen Stücken stehen oft Randfiguren im Mittelpunkt, das Kind in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, seinem bekanntesten Werk, oder die Ziege in „Wer ist Sylvia?“, einem Spätwerk, das Andrea Breth im Akademietheater meisterlich inszenierte: Peter Simonischek spielte den Architekten, der sich tierisch verliebt, seine Frau (Corinna Kirchhoff) kann es nicht fassen. Und während die zwei ihre Wohnung und ihre Ehe zerlegen, trällert fröhlich Schuberts Gesang „An Sylvia“ – der Text ist übrigens von Shakespeare, dem Spezialisten für Verzauberung und Verwirrung schlechthin.

Albee, geboren 1928 in Washington, wurde kurz nach seiner Geburt vom Betreiber eines Vaudeville-Theaters adoptiert. Der Zweite Weltkrieg prägte ihn. Er versuchte sich an Romanen, bis Thornton Wilder, mit dem er einen Hang zum Mystischen teilte, ihm riet, sich dem Theater zuzuwenden. Da war Albee schon 30 Jahre alt. Bekannt wurde er mit der von Samuel Beckett inspirierten „Zoogeschichte“: Der bürgerliche Peter und der desolate Jerry kommen auf einer Bank im Central Park ins Gespräch. Jerry attackiert Peter, zieht plötzlich ein Messer. Das Werk wird dem absurden Theater zugeordnet.

Allerdings hatte Albee auch einiges von Eugene O'Neill, das Düstere und das Wühlen, O'Neills Grimm allerdings fehlte ihm. Albee schien immer mit distanziertem Laborblick auf seine Charaktere zu schauen. 1962 bescherte ihm „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ den Durchbruch. Exemplarisch ist die Verfilmung mit Liz Taylor und Richard Burton, auch im wirklichen Leben ein Paar à la Strindberg.

Am Burgtheater spielten u. a. Klaus Maria Brandauer und Elisabeth Trissenaar, bei den Festwochen gastierte eine Aufführung vom Deutschen Theater in Berlin mit Corinna Harfouch und Ulrich Matthes im Volkstheater. Ebendort begeisterten auch Maria Bill und Günter Franzmeier. Die Eheschlacht ist ein Klassiker, aber weniger simpel, als sie auf den ersten Blick aussieht: Martha und George aus dem Uni-Milieu streiten, füllen sich und ihre Gäste, ein jüngeres Paar, mit Whiskey ab, doch sieht man hier auch verwunschene Menschen, tobend, weinend, wie in einem bösen Traum gefangen. Was zählt der Geist auf dieser üblen Erde, auf der wir dem Tod entgegenwanken, fragt Albee in dieser Satire auf den Universitätsbetrieb – der in den USA auch eine Brutstätte für tolles Theater ist.

Diagnostiker. Stets polemisierte Albee gegen die Kommerzialisierung der Bühnenkunst, die sich über den Broadway zum Off- und Off-Off-Broadway ausbreitete. Etwa 30 Stücke hat er geschrieben, viele waren spannend, wurden an namhaften Theatern aufgeführt, aber keines ist beim breiten Publikum so bekannt wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. 1987 und 1991 wurden „Marriage Play“ („Ehetheater“) und „Three Tall Women“ („Drei große Frauen“) im Vienna's English Theatre uraufgeführt. „Three Tall Women“ war Albees Abrechnung mit seinen Eltern, die seine Homosexualität missbilligten.
Albee war öfter in Wien. Er begleitete Proben seiner Stücke, achtete auf sein geistiges Eigentum. Er rüttelte nicht nur an der Ehe, einer Säule der US-Gesellschaft, er verweigerte auch ein Grundprinzip des US-Entertainments, Geschichten umzuschreiben, um sie besser verkaufen zu können. Er glaubte an Erziehung durch Kunst. „Mithilfe guter Stücke können wir die Menschen klüger machen“, lautete seine Überzeugung. Mit 88 ist dieser präzise Diagnostiker nun gestorben.

Steckbrief

Edward Albee

Geboren 1928 in Washington, D.C. Sein Adoptivvater betreibt ein Vaudeville-Theater. Die Familie zieht oft um.

1948 Albee geht nach New York. Er lebt von einem Legat seiner Großmutter, schlägt sich als Gelegenheitsarbeiter durch, schreibt Romane, Kurzgeschichten.

1958 Einige seiner Dramen werden in Deutschland uraufgeführt, auch „Zoogeschichte“ am Schillertheater Berlin.

1962 Uraufführung von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ in New York, die Verfilmung 1966 gewinnt mehrere Oscars (einen davon Liz Taylor). Albee schreibt ca. 30 Stücke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)

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