Der Rassismus in uns

Die deutschägyptische Autorin Jasmin Ramadan.
Die deutschägyptische Autorin Jasmin Ramadan.(c) Roberta Sant’ Anna
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Die Autorin Jasmin Ramadan schickt ihre Leser in dem angenehm ruhigen Roman „Hotel Jasmin“ auf die Suche nach einer verschollenen Lehrerin – und lässt sie etwas anderes finden.

Christiane Tarpenbek ist eine vom Leben missverstandene Frau. Der Alltag ist für sie eine anstrengende Aneinanderreihung von Tagen, an denen sie nicht auffallen, und Menschen, denen sie nicht nahekommen will. Christiane möchte nicht, dass ihr Umkreis – in diesem Fall die Lebenden der Hansestadt Hamburg – ihre Andersartigkeit wahrnimmt, so fügt sie sich in die Regeln des gesellschaftlichen Bravseins, trinkt nicht, nimmt keine Drogen (bis auf die vielen Zigaretten), spricht wenig, schlägt insgesamt nicht über die Stränge, kleidet sich bieder, bleibt eine gute Volksschullehrerin und eine von außen unauffällige Mutter. „Christiane meisterte ihr Schattendasein mit eins plus“, schreibt Jasmin Ramadan in ihrem neuen Buch, „Hotel Jasmin“, über ihre merkwürdig komplizierte Hauptfigur, „und das allein machte sie stolz und manchmal glücklich.“

Dass diese Christiane ein Flüchtlingsmädchen aus Somalia schwer beleidigt haben soll, verwirrt ihren engen Menschenkreis. Sie ist eigen, ja, aber rassistisch? Die Klatschpresse stürzt sich auf den Vorfall, und die Lehrerin selbst ist wie vom Erdboden verschluckt. Die Suche nach Christiane ist auch eine Suche nach dem unzugänglichen Charakter der Mittvierzigerin, und sie bildet den Rahmen für Ramadans Geschichte. Der deutsch-ägyptischen Autorin ist ein schön erzählter Roman gelungen, in den sie auch Persönliches hineingeflochten hat, der technisch allerdings brüchig bleibt.

Der Einführung folgen seitenweise Protokollen, die Christianes Bekannte an eine Detektivin abliefern, und in denen sie ihre Beziehung zur Verschwundenen darlegen, ehe die Erzählung wieder aufgenommen wird und letztlich Christiane selbst zu Wort kommt. Die Bruchstellen stören aber nicht wirklich, denn Ramadans Erzählstil ist angenehm ruhig, auch wenn manche ihrer Figuren seltsam und unleidlich daherkommen.

Wie eine Zwiebel. Nun, die Suche nach Christiane stößt Roland Tarpenbek an, ihr Sohn, der die Mutter nie begreifen konnte. Roland heuert die Detektivin an, und so kommen in den Protokollen Roland zu Wort, Christianes einzige Freundin, Lerke, deren Mann, Hauke, auch ihr Nachbar Egon sowie die Direktorin ihrer Schule. Natürlich geht es dabei um Christiane, aber es geht auch um Rassismus, und der ist vor allem Ramadans Geschichte. Wie eine Zwiebel schält sie ihre Romanfiguren, und im Inneren offenbaren sich Vorurteile sowie Toleranz, die bildlich für die aktuelle Debatte innerhalb der deutschen Gesellschaft stehen.

„Alle sollen schön an ihren eigenen Löffeln lecken und nicht mit ihren großen Zungen aus Afrika an unseren deutschen Silberlöffeln“, lässt Ramadan etwa den missliebigen Nachbarn Egon sagen, und auch Lerke, eine Autorin, die Schmonzetten verfasst, stößt sich am ausländischen Freund ihrer Tochter. Ob nun auch Christiane in diese Kategorie fällt, lässt Ramadan bis zum Schluss offen, die Schlussphase des Buches selbst erscheint aber mühselig konstruiert.

Jasmin Ramadan, Jahrgang 1974, gehört zu den interessanteren zeitgenössischen Autoren in Deutschland. Sie hat mit „Soul Kitchen“ die Vorlage für Fatih Akıns witzig-schönen, gleichnamigen Kietz-Film geliefert, ihre Bücher „Das Schwein unter den Fischen“ sowie „Kapitalismus und Hautkrankheiten“ sind vom Feuilleton allerdings euphorischer besprochen worden als das aktuelle Werk. Eine Empfehlung bleibt „Hotel Jasmin“ allemal.

Neu Erschienen

Jasmin Ramadan
„Hotel Jasmin“
Tropen Verlag
270 Seiten
19,50 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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