Was man 2017 lesen sollte

So viele Bücher! Und wer hat Zeit, sie alle zu lesen?
So viele Bücher! Und wer hat Zeit, sie alle zu lesen?(c) Bilderbox
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Eine Vorschau auf ausgewählte Neuerscheinungen: Ein Glücksjahr für Ferrante-Fans, lesenswerte Wiederentdeckungen und die unausweichlichen Themen unserer Zeit.

Lassen Sie uns Bilanz ziehen. Welche Bücher aus dem Vorjahr sind Ihnen in Erinnerung geblieben? Hand aufs Herz: Welcher Titel war wirklich herausragend? Schwer zu sagen angesichts der Fülle an Veröffentlichungen, all der Bücher, die man angeblich gelesen haben muss. Denn immer schneller dreht sich das Bücherkarussell. Die Verlagsbranche hyperventiliert angesichts der Gratis-Konkurrenz aus dem Netz, jede Woche erscheinen zig neue Titel; Trends gehen so schnell, wie sie gekommen sind. Zurück bleiben überforderte Leser. Wollte man sich beim Lesen nicht zurücklehnen? Entspannen, entschleunigen? Eine Vorschau auf Novitäten 2017, die hoffentlich „hängenbleiben“.

Bleiben wir beim Innehalten. Eine entschleunigte Lektüre abseits von Literaturmoden bieten Klassiker in Neuübersetzung oder wiederentdeckte Bücher: Andrej Platonows „Baugrube“ etwa, das zwar schon zu Jahresende erschien, aber im Weihnachtstrubel womöglich übersehen wurde. Bei Dörlemann kann man bald Dorothy Parkers Gedichte („Denn mein Herz ist frisch gebrochen“) anlässlich ihres 50. Todestages am 7. Juni nachlesen. Und der neu zu entdeckende Autor David Vogel, der zwischen 1912 und 1929 in Wien lebte, beschreibt die Liebesqualen eines Schriftstellers, der einer Femme fatale verfallen ist, unter dem schlichten Titel „Eine Ehe in Wien“.

Viel mehr als ein One-Hit-Wonder ist auch das Phänomen Elena Ferrante. Die klugen Bücher der unter einem Pseudonym schreibenden Schriftstellerin über eine Frauenfreundschaft in Neapel sind weltweite Bestseller. 2017 wird ein ausgezeichnetes Jahr für Ferrante-Fans. Suhrkamp veröffentlicht gleich drei neue Folgen der Reihe: Band zwei ist eben erschienen, Nummer drei folgt Anfang Mai, Band vier im Oktober.

Vielversprechend klingen die Neuerscheinungen zweier deutscher Autorinnen über Migration und Transkulturalität: „Gott ist nicht schüchtern“ ist der dritte Roman von Olga Grjasnowa, die zuletzt mit „Die juristische Unschärfe einer Ehe“ Aufsehen erregte. Er handelt vom Neuanfang syrischer Flüchtlinge in Deutschland. Beachtung finden sollte auch das Debüt von Fatma Aydemir über die zornige Deutschtürkin Hazal: „Ellbogen“. Ein Debüt aus Russland lässt hoffen: Gusel Jachinas „Suleika öffnet die Augen“ gewann in ihrer Heimat 2015 den renommierten Preis „Großes Buch“. Sie schildert das Schicksal einer Tatarin zur Zeit der stalinistischen Repressionen. Lesevergnügen versprechen das Kuba-Epos der US-Schriftstellerin Rachel Kushner und Katherine Heinys Roman „Gemischte Gefühle“, deren Storys Lust auf mehr gemacht haben.


Novitäten aus Österreich. Produktiv waren auch heimische Autoren. 2017 sticht Franzobel mit „Das Floss der Medusa“ in See, Kurt Palm widmet sich der „Strandbadrevolution“ der 1970er-Jahre, Thomas Sautner hat mit „Das Mädchen an der Grenze“ das Wendejahr 1989 im Blick. Über das Glück – „Fortuna“ – schreibt Franz Schuh, über Beziehungen (what else?) Doris Knecht,von sich selbst erzählen Tex Rubinowitz und Stefanie Sargnagel. Endlich Neues gibt es von Rosemarie Poiarkov, deren Erzählband „Eine CD lang“ 2001 Wellen schlug, sowie von der wortgewaltigen Gertraud Klemm. Mario Schlembach hat mit „Dichtersgattin“ einen aufwühlenden Roman über österreichische Kulturgeschichte, Literatur und Verweigerung geschrieben. „Es liest niemand mehr ein Buch, sondern man will es vorgelesen bekommen“, heißt es da über das „Autorenschauen“ der Konsumenten von heute. Ob nun lesend oder vorlesend: Auf dass Ihre Literatursehnsüchte 2017 erfüllt werden!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2017)

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