Ein Sonderling ermittelt im Elite-Club

Autor Takis Würger beim Debütpreis der lit COLOGNE  in Köln.
Autor Takis Würger beim Debütpreis der lit COLOGNE in Köln.(c) imago/Horst Galuschka
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Es sind Geschichten über Boxen, Männerbünde und ihre bizarren Initiationsrituale an der Universität Cambridge, die Takis Würger in seinem ersten Roman "Der Club" erzählt.

Männerbünde an Eliteuniversitäten, diskrete Clubs und ihre Rituale. Da verbirgt sich viel Potenzial für dunkle Fantasien und Verschwörungstheorien. Dabei muss es gar nicht immer das verborgene Streben nach einer neuen Weltordnung sein. Vieles, was sich hinter den Mauern eines der elitären Clubs in Cambridge & Co. abspielt, ist auf einer viel primitiveren Ebene angesiedelt. Was genau, das sollte Hans Stichler herausfinden. Alex, die Halbschwester seiner Mutter, bittet ihn genau darum. Ohne viel mehr zu verraten. Er möge in Cambridge zu studieren beginnen – und boxen. Dann würde er schon Zugang zum elitären Pitt Club finden. Und herausfinden, welches Geheimnis die Mitglieder, allesamt boxende Studenten, teilen.

Boxen, das ist die Leidenschaft von Hans, dessen Kindheit und Jugend zu Beginn des Buches wirkt, als würde Autor Takis Würger eine Geschichte im Stil der „Fabelhaften Welt der Amélie“ erzählen. Da ist das Haus im Wald im südlichen Niedersachsen, das ein Paar gekauft hat, damit die krebskranke Frau dort in Ruhe sterben kann. Allein, die inoperable Krankheit verläuft langsam, die Frau wird schwanger – und plötzlich ist Sohn Hans da. Ein sonderlicher Bub, der die Einsamkeit mag, der nie spielt, mit anderen Kindern nichts anfangen kann. Und der das Boxen für sich entdeckt. Ein Sport, bei dem niemand erwartet, dass er Freude empfindet. Und bei dem er mit seinen Schmerzen allein bleiben darf.


Die Welt der Eliteuni

Dieser Sonderling steht nach seinem Abitur nun also in Cambridge, weiß nicht, warum. Aber fügt sich der Bitte seiner Tante. Und unternimmt nun das Notwendige, um in den elitären Pitt Club aufgenommen zu werden. Natürlich funktioniert das nicht per Antrag, vielmehr muss man von anderen Mitgliedern nominiert werden. Und ohne Fürsprache anderer gibt es keine Chance. Der Weg führt dabei zunächst über das Boxen. Und über eine Kommilitonin, mit der Tante Alex ihn in Kontakt gebracht hat – sie soll ihm zur Seite stehen, den jungen Mann in die Welt der Eliteuni einführen und ihm auch beim Knüpfen von Kontakten helfen. Immerhin war ihr Vater zu Studienzeiten selbst Boxer – und Mitglied des Pitt Clubs.

Nach und nach lebt sich Hans in der Welt der Cambridge-Studenten ein. Als „der Deutsche“, der hier unter einer falschen Identität lebt. Der im Hinterkopf immer den Auftrag hat, von dem er selbst noch nicht weiß, wie er lautet. Und der im Lauf des Studiums einige Leute kennenlernt. Auch ihre Perspektive erfährt der Leser, denn der Autor spielt laufend mit dem Blickwinkel. Am häufigsten schlüpft man natürlich in die Rolle von Hans, aber erfährt auch, was seine Studienkollegen denken. Mit der Zeit öffnet sich auch die Welt von Charlotte, der Kommilitonin, die offenbar auch ein Geheimnis in sich trägt. So wie auch Tante Alex, die hinter den Kulissen einen Plan verfolgt.

Alles spitzt sich schließlich zu auf einen Vergleichskampf zwischen den Boxern von Cambridge und Oxford – ein prestigeträchtiges Aufeinandertreffen. Und bei einem Erfolg auch das Eintrittstor in die noch viel geheimere Welt der Clubs im Club – der Schmetterlinge, einer Vereinigung von Studenten, die ihren Kampf gegen den Erzrivalen gewonnen haben. Natürlich rückt dann wieder die bizarre Welt der Traditionen und Initiationsrituale in den Mittelpunkt. Und für Hans erschließt sich endlich, was sein eigentlicher Auftrag ist.

Takis Würger, einst preisgekrönter Journalist für den „Spiegel“, ging im Alter von 28 Jahren selbst nach Cambridge, boxte dort und wurde Mitglied mehrerer Clubs. Hans, der verschlossene Bub aus Niedersachsen, trägt also wohl auch biografische Elemente des Autors in sich. Ganz neu ist das Motiv seines Romans natürlich nicht – ein Außenstehender, vielleicht ein wenig naiv, tritt ein in einen geschlossenen Zirkel, findet dort Einlass, lässt sich aber nicht vom System korrumpieren. Wenn das wie hier auf eine liebevoll erzählte und spannende Weise passiert, ist dagegen nichts einzuwenden. Und wie gesagt, es muss auch bei diskreten Clubs nicht immer um die große Weltverschwörung gehen.

Takis Würger: „Der Club“. Verlag Kein & Aber, 240 Seiten, 22,70 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2017)

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