Jungautorin Hegemann hat abgeschrieben

(c) AP (Michael Probst)
  • Drucken

Das deutsche Feuilleton feierte "Axolotl Roadkill" als Debüt des Jahres, nun gerät die Autorin Helene Hegemann in Misskredit. "Originalität gibt's nicht, nur Echtheit", verteidigt sich das 17-jährige "Wunderkind".

Mit dem Abschreiben vom Sitznachbarn bei der Schularbeit fing es an. Spätestens seit es „Laptop-Klassen“ gibt, benutzen Schulen und Universitäten aber Computerprogramme, die abgegebene Arbeiten nach aus dem Internet übernommenen, adaptierten Passagen durchsuchen. „Copy-Paste“ nennt sich die Methode, mit der per „Strg + C“ kopiert, was anderswo mit „Strg + V“ eingefügt wird.

Man könnte davon ausgehen, dass auch einem Verlag ein solches Programm zur Verfügung steht. Dort geht es bei Neuerscheinungen schließlich um Plagiat. Nun zum Beispiel beim „Wunderkind“ Helene Hegemann (17). Der Ullstein Verlag publizierte vor wenigen Wochen ihren Roman „Axolotl Roadkill“, das deutsche Feuilleton feierte ihn. Auch „Die Presse“ ist begeistert: „Jeder Satz ein Treffer.“ Die erste Auflage ist schon fast ausverkauft. Am 19.Februar, Vorabend von Hegemanns 18.Geburtstag, soll das Buch in Berlin mit Pomp und Trara vorgestellt werden, Birgit Minichmayr hat schon das Hörbuch aufgenommen, für den Preis der Leipziger Buchmesse soll es auch nominiert sein.

Doch hat nun Popkulturblogger Deef Pirmasens (gefuehlskonserve.de, die Seite war am Montag überlastet) seine Plagiatsvorwürfe dargelegt – und „Axolotl“ ausführlich mit „Strobo. Technoprosa aus dem Berghain“ von einem Blogger mit Künstlernamen Airen verglichen. Im Lokal Berghain spielt auch „Axolotl“, dort herrscht allerdings Jugendverbot. Also hat Hegemann Airens Schilderungen aus dessen Blog kopiert. Ihm sagt sie im Buch auch Dank – allerdings erst in Auflage Numero zwei. Seinen Roman hingegen kenne sie nicht. Ullstein putzt sich an der 17-Jährigen ab, Pirmasens wirft dem Verlag vor, seine Sorgfaltspflicht verletzt zu haben.

„Axolotl“ soll autobiografische Züge haben, die 16-jährige Mifti schlägt sich darin exzessiv und zynisch durch einen Alltag voll Drogen und Sex. Hegemann verteidigt sich gegen die Vorwürfe: „Originalität gibt's sowieso nicht, nur Echtheit.“ In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sagt sie außerdem: Wenn ihr Buch schon als „Stellvertreterroman der Nullerjahre“ bezeichnet werde, sei auch hinzunehmen, dass „der Entstehungsprozess das Jahrzehnt und seine Methoden spiegle“, etwa eben die Missachtung der Urheberrechte im Internet.

Diese Methoden der digitalen Welt bzw. ihre Transparenz schlagen sie aber auch: Laut „FAZ“ hat Hegemanns Vater, Carl, früherer Chefdramaturg der Berliner Volksbühne, online über Amazon Airens „Strobo“ bei dessen Verlag Sukultur bestellt – und an die Adresse seiner Tochter liefern lassen. trick

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Günter Wallraff
Literatur

Plagiatsvorwürfe in der Literatur: Schätzing bis Wallraff

Abgeschrieben? Mit diesem Vorwurf mussten sich bereits viele Autoren auseinandersetzen. Einige Fälle aus den vergangenen Jahrzehnten.
Literatur

"Axolotl Roadkill": Das Berliner Wunder

Das Debütbuch der 17-jährigen Helene Hegemann gilt als "Coming-of-age-Roman der Nullerjahre". Denn "Axolotl Roadkill" macht nervös. Sex und Drogen haben damit nur am Rande zu tun.
Cover von ''Axolotl Roadkill''
Literatur

Skandalroman "Axolotl Roadkill" soll abgeschrieben sein

Plagiatsvorwurf gegen das 17-jährige "Wunderkind" Helene Hegemann: Ganze Passagen aus ihrem Bestseller über Sex und Drogen
sollen aus einem anderen Roman stammen. "Originalität gibt's nicht", sagt die Berlinerin.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.