US-Schriftsteller Tom Wolfe ist tot: Der elegante Dandy als beinharter Satiriker

Der Autor starb im Alter von 87 Jahren.
Der Autor starb im Alter von 87 Jahren.
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Er war eine polarisierende Literatur-Größe, Autor von Romanen wie dem Weltbestseller "Fegefeuer der Eitelkeiten" und ein aggressiver Kritiker des Establishments: Tom Wolfe wurde 88 Jahre alt.

„Fegefeuer der Eitelkeiten“ heißt Tom Wolfes bekanntestes Buch: Ein Broker, der an der Wallstreet Millionen scheffelt und mit einer herben Aufsteigerin verheiratet ist, gerät in eine schreckliche Bredouille. Unverdient, aus seiner Sicht, versteht sich. Als sich Sherman McCoy, ein 38-jähriger Erfolgsverwöhnter, mit seiner Südstaaten-Geliebten in der Bronx verirrt, fährt diese zwei Schwarze an. Der eine fällt ins Koma.

Wolfe nimmt sich viel Zeit, um haarklein zu schildern, wie sich die Katastrophe über McCoy zusammenzieht, jede Wolke erscheint gewissermaßen in Zeitlupe und der Leser folgt ihr atemlos. 1987 erschien der Wälzer, er erzählt von Börsenwundern und Börsenkrächen, von der Klassengesellschaft der USA, in der nur ein Weg akzeptiert wird, der nach oben, und von den für Europäer damals schockierenden Gegensätzen, dem Hass zwischen Nationen und Religionen im Melting Pot New York (später wurde das Werk mit Tom Hanks, Melanie Griffith und Bruce Willis verfilmt). Auch ein anderes Buch von Wolfe ist eine Satire – auf das elitäre und gnadenlose US-Universitätssystem: „Ich bin Charlotte Simmons“ handelt von einer Musterschülerin und Musterstudentin, die sich zwischen Drogenparties und Kämpfen mit listigen oder brutalen Studienkollegen und zynischen Lehrern durchkämpft und den wichtigsten Satz der Tüchtigen verinnerlicht hat: „Nicht was gesagt ist, ist wichtig, sondern wer es gesagt hat, und wo.“

Der Schriftsteller Wolfe hatte wenig Humor, der Mensch Wolfe viel

Wollte man Wolfe mit seinen wichtigen Rivalen vergleichen, könnte man sagen, die augenzwinkernde Milde eines John Updike war ihm fremd, sein Moralismus war anders als bei Philip Roth größer als sein Humor. Fast könnte man sagen, der Schriftsteller Wolfe hatte wenig Humor. Der Mensch Wolfe hatte ihn wohl. Und er bediente mit seinem glamourösen Auftreten genau jenes amerikanische Prinzip, das er in seinen Büchern verdammte: Dass Schein so wichtig ist wie Sein und dass man immer für Entertainment sorgen muss, wenn man erfolgreich sein möchte. Tom Wolfe wurde in einer Kernzone amerikanischen Wesens geboren, in Richmond, Virginia. Als Kind genoss er Ballett- und Stepptanzunterricht, schon mit neun Jahren soll er versucht haben, Biografien über Napoleon und Mozarts zu schreiben. Außer Schriftsteller war er Journalist, Kritiker und Illustrator. Mit Truman Capote gilt er als Gründer des New Journalism, der Fakten gern verlässt, um sich subjektiv und literarisch einzubringen.

Werke von Tom Wolfe

Dabei polarisierte Wolfe auch: John Updike sah in seinen Werken "Massenunterhaltung", John Irving lästerte über seine "Geschwätzigkeit" und erklärte sich unfähig, Wolfes ersten Roman zu Ende zu lesen. Wolfe galt als virtuoser Gesellschafts- und Zeitdiagnostiker, aber auch als eitler Selbstdarsteller - der "Guardian" bezeichnete ihn als "Amerikas größter Satz-für-Satz-Angeber", was Wolfe gar nicht leugnete. Er übte sich durchaus in Selbstkritik: "Man geht jeden Abend ins Bett und denkt, dass man die brillantesten Seiten aller Zeiten geschrieben hat, und am nächsten Tag merkst du, dass es nur Gefasel ist. Manchmal auch erst sechs Monate später. Das ist eine konstante Gefahr." Trotzdem sei ihm die Lust an seinem Job nie vergangen, sagte er einmal in einem Interview. "Der größte Spaß am Schreiben ist das Entdecken."Nach einem Karrierebeginn als Journalist gelang Wolfe 1968 der Wechsel ins Schriftstellerfach: "Der Electric Kool-Aid Acid Test". Das Buch erzählt von einer wilden Fahrt von Autor Ken Kesey und einer als die Merry Pranksters bekannten Gruppe, die quer durch die USA reisen und mit der Droge LSD experimentieren.

Zu Bestsellern wurden Wolfes Titel "Die Helden der Nation", eine romanähnliche Reportage über Testpiloten der NASA und natürlich "Fegefeuer der Eitelkeiten" über den Börsenboom der 1980er-Jahre und die Zeit unter US-Präsident Ronald Reagan: Das Werk erschien Mitte der 80er Jahre zunächst als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift "Rolling Stone", bevor es als Roman ein Welterfolg wurde.

Später folgten Erfolge wie "Ein ganzer Kerl" und "Ich bin Charlotte Simmons".

2012 legte er sich in "Back to Blood" mit den Eliten der Sonnen-Metropole Miami an. 2016 griff er in "Das Königreich der Sprache" u. a. Charles Darwins Evolutionstheorie und den Literaturwissenschaftler Noam Chomsky an. 

Er blieb ein Konservativer

Wolfe war auch ein begabter Baseballer, der es bis zu einem Probetraining der New York Giants brachte. Er studierte in Yale, seine Doktorarbeit handelte vom Einfluss des Kommunismus auf US-Autoren. So aggressiv er das Establishment kritisierte, er blieb ein Konservativer, auch in dieser Hinsicht typisch amerikanisch: Das System zu prügeln, heißt nicht, es ändern zu wollen, denn es hat seine Vorteile. Wolfe schrieb für die Herald Tribune und die Washington Post. „Ein Kult ist eine Religion ohne politische Gewalt“, sagte er, was Religion, was Politik und was Gewalt ist in Amerika, wusste dieser so vielseitig meisterhafte Künstler sehr genau. Und Donald Trumps Amerika hat er lang im Voraus analysiert. Am Dienstag ist Wolfe im Alter von 88 Jahren nach einer Infektion in einem Spital in Manhattan gestorben - wobei es erst hieß, dass er 87 geworden wäre: Manche Quellen sprachen von 1930 als Geburtsjahr, andere von 1931; er selbst, den stets etwas Mystisches umgab, machte aus seinem Alter gerne ein Geheimnis. Wolfes Tochter Alexandra stellte nach seinem Tod klar: Er wurde 88 Jahre alt.

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