Literatur: Handke und Bernhard im Friendly Fire

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Die zwei Literaturgranden waren Rivalen, wollten sich das aber öffentlich nicht anmerken lassen. Verwandt waren sie jedenfalls. Manchmal gab es Berührungspunkte.

Die 23 Jahre alten Wiener Vorlesungen des Historikers Hubert Christian Ehalt widmeten sich Montagabend in der Volkshalle des Rathauses einem brisanten Thema: Karl Wagner, Oberösterreicher, Germanist, seit 2003 Ordinarius an der Universität Zürich, sprach über Thomas Bernhard und Peter Handke.

Die beiden Literaturgranden, denen gemeinsam ist, dass sie manche öffentliche Erregung auslösten und eine starke Bindung an ihre jeweiligen Großväter hatten, beäugten einander reserviert. Verwandt waren sie jedenfalls. Der Kampf gegen das Vergessen und das Schweigen bezüglich der NS-Zeit in Österreich verbindet die zwei Ikonen der heimischen Nachkriegsliteratur ebenso wie die Erbarmungslosigkeit, mit der sie, auf den Spuren Stifters, das vermeintlich idyllische Landleben entlarven.

Manchmal gab es Berührungspunkte, wenn etwa der eine den anderen für eine Anthologie gewinnen wollte und der elf Jahre jüngere Handke dem älteren Bernhard einen raffiniert herablassenden Brief schrieb oder Bernhard über Handke im stillen Kämmerlein urteilte: „Adieu, Talent!“ Wagners brillanter Vortrag hob etwas behäbig an, steigerte sich mit vielen Bezügen, die beide Dichter mitunter verschmelzen ließen – und war wie die meisten noch so geistreichen Abhandlungen über Kunst letztlich zu lang.

Danach ergriff Burgschauspielerin Dorothee Hartinger das Wort. Sogleich lebt der ermüdete Verstand auf, wenn sich die Kunst tatsächlich ereignet – und Handke auf skurrile Weise in Hannover über einem Bernhard-Werk brütet, darein versinkt und gar nicht aufhören kann, über die Hervorbringungen des Feindes und Rivalen zu sinnieren.

Auf Schmidt-Denglers Spuren

Ausgesprochen schweigsame Menschen, Herr Handke und Herr Bernhard. Dem einen kann man in oft dicken Büchern lauschen. Der andere ist zwar tot, aber seine unvergesslichen Tiraden schwappen einem aus einem Video im Theatermuseum entgegen, wo eine Bernhard-Ausstellung stattfindet (bis 4.Juli). Das ländliche Schweigen gegen das unermessliche Strömen häufig zorniger Monologe der Dichter wirkt faszinierend – und es erscheint als früher Verweis auf die geschwätzige Gegenwart, da aus allen Mündern & Medien Sätze strömen.

Wagner, der in puncto Eloquenz in den Fußstapfen des verstorbenen Literaturprofessoren-Stars Wendelin Schmidt-Dengler zu wandeln schien, konnte sich nicht den Hinweis verkneifen, dass er viel mehr über seine Studienobjekte wisse, als er sagen dürfe, er blieb diskret und bei der Sache. Handke wütete insgeheim gegen die Schläue, mit der sich Bernhard vermarktete – bis hin zum jüngsten postumen Bestseller über dessen Hickhack mit Verleger Siegfried Unseld (Suhrkamp) übers Geld. So boshaft pointiert wie Handke hat das noch kein Bernhard-Kritiker formuliert. Äußerst beengt war der Kampfplatz der beiden: Suhrkamp, Salzburger Festspiele, Claus Peymann.

Am heitersten sind aus Wagners reichem Zitatenschatz die Nekrologe, z. B. von H.C. Artmann, der in Bernhard den Dandy à la Wilde erkannte. Circa 400 Besucher lauschten der spannenden Weihestunde für die zwei größten Reibebäume der Nachkriegsliteratur – was heute so völlig vergessen zu sein scheint, wie das womöglich nur in Österreich möglich ist. Das Buch zu dieser Veranstaltung kommt im Herbst heraus (Picus).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2010)

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