Nationalbibliothek: Restitution geraubter Bücher

(c) Michaela Bruckberger
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Die ÖNB übergab bei einer Gedenkfeier dem Nationalfonds 8363 entzogene Bücher. Bei dem Konvolut von Druckschriften handelt es sich um Objekte, die keinerlei Hinweis auf ihre ehemaligen Besitzer tragen.

„Es ist traurig und beschämend, dass eine so lange Zeit vergehen musste – 65 Jahre – bis die letzten Reste der NS-Raubzüge in der Österreichischen Nationalbibliothek bereinigt werden konnten“, erklärte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger am Dienstag bei einer Gedenkfeier: „Gleichzeitig bin ich aber erleichtert, dass damit endlich die unheilvolle Kette von aktiver Verstrickung und Mitschuld während der NS-Zeit sowie von bewussten Versäumnissen und Verzögerungen in der Nachkriegszeit zu einem Ende gelangt ist“, so Rachinger.

Sie übergab dem Österreichischen Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus 8363 Bücher. Bei dem Konvolut von Druckschriften handelt es sich um Objekte, die keinerlei Hinweis auf ihre ehemaligen Besitzer tragen. Es sind zum überwiegenden Teil Bücher aus kleinen Privatbibliotheken emigrierter oder deportierter Wiener Juden, die ohne jedes Verzeichnis per Lkw von der Gestapo in die damalige Nationalbibliothek (ÖNB) gebracht wurden. Erst 2002 hatte die ÖNB begonnen, sämtliche Erwerbungen der NS-Zeit systematisch zu durchforsten. 35.217 Einzelobjekte konnten seither ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden. Der nun dem Nationalfonds übergebene und um 135.000 Euro von der ÖNB zurückgekaufte „erblose“ Bestand beinhaltet Kinderbücher, wissenschaftliche Standardwerke und theologische Abhandlungen aus dem 17. Jh.

Weitere 8823 Stücke für Rückgabe

Bei der Gedenkveranstaltung in Anwesenheit von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer in der ÖNB am Dienstag erklang Kammermusik verfolgter jüdischer Komponisten. Man gedachte, so Prammer, der hunderten und tausenden Menschen, „deren Schicksal auch nach langen Recherchen nicht ausfindig gemacht werden konnte“. Gleichzeitig betonte Prammer, dass österreichische Museen, die geraubte Kunstwerke „bis in das 21. Jahrhundert“ ausgestellt hätten, von den NS-Raubzügen profitierten. Sie kündigte eine genauere Erforschung auch aller in der Parlamentsbibliothek lagernden Bücher an und versprach konkrete Ergebnisse noch in diesem Jahr.

Für weitere 8823 erblose Druckschriften, Handschriften, Fotografien, Musikalien und Kartenwerke ist eine Entscheidung des beim Bildungsministerium eingerichteten Beirats für Kunstrückgabe noch ausständig. Die Werke sind in der Onlinedatenbank des Nationalfonds zur Erfassung von Raubgut zu finden. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2010)

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