Edwige Danticat: Dein Vater, der Folterknecht

Edwige Danticat Dein Vater
Edwige Danticat Dein Vater(c) Edition Büchergilde
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Zwischen Schuld und Sühne: Edwige Danticat lüftet in ihrem Roman in Geschichten gut gehütete haitianische Familiengeheimnisse.

Naturkatastrophen wie Tropenstürme und Erdbeben, wegen derer Haiti für gewöhnlich in die internationalen Schlagzeilen kommt, spielen in diesem Buch keine Rolle. Es sind ganz persönliche Katastrophen, Erschütterungen der Weltsicht, die hier eine Tochter und eine Ehefrau erleiden.

Edwige Danticat, eine junge aus Haiti stammende amerikanische Autorin, verarbeitet in „Der verlorene Vater“ die Duvalier-Ära in ihrem Heimatland. François Duvalier, genannt „Papa Doc“, und „Baby Doc“, Sohn Jean-Claude Duvalier, herrschten gemeinsam fast 30 Jahre über den Karibikstaat. Gefürchtet waren die Tontons Macoutes, die als die Geheimpolizei der Duvaliers politische Opponenten und Kritiker gnadenlos verfolgten.

Ein Vater, der zeitlebens seine Tochter glauben machte, ein Folteropfer der Tontons Macoutes zu sein, ist der Angelpunkt der Geschichten. Bei einem gemeinsamen Ausflug nach Florida muss sie – die als Künstlerin eine Holzskulptur des „leidenden“ Vaters angefertigt hat –, erfahren, dass er das genaue Gegenteil war: ein Folterknecht, der Gefangene malträtierte, ein Mörder, der den Tod einer Familie verschuldete, der Urheber der Albträume und Wahnvorstellungen der Überlebenden.

Literarisch anspruchsvoll und eindringlich schildert Danticat verschlungene Lebensläufe und fragt klug nach Schuld und Sühne. Ist es Strafe genug für den Vater, der aus Haiti flüchten konnte, dass er sich bis heute von seinen Opfern verfolgt fühlt? som

Edwige Danticat: „Der verlorene Vater“, Edition Büchergilde, Reihe Weltlese, 239 Seiten, 20,50 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2011)

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