Matias Faldbakken: Der Mann fürs Grobe

Seine Romane sind Porno-Kult, als Künstler ist er auch nicht zimperlich: Dabei ist Matias Faldbakken ein durchaus freundlicher Zeitgenosse.

TIPPS

Seine Bücher sind ziemlich starker Tobak: Pornografie, Gewalt und Rassismus ziehen sich als thematischer Leitfaden durch Matias Faldbakkens dreiteilige „Skandinavische Misanthropie“. Und in der bildenden Kunst kommt er auch eher rowdyhaft daher, lässt ausgebrannte Autowracks ausstellen oder zeigt eine „Liquor Sculpture“ aus leeren Schnapsflaschen. Also schon wieder Vandalismus, Trash, Zerstörungswut, das Destruktive als kreativer Antrieb. Passenderweise geistert ein recht kruder O-Ton durch den Äther: „Negativität ist der Motor meines Schaffens“, meinte der Enddreißiger aus Oslo in einem Interview. Zu allem Überfluss kommt er aus einem Kreativclan, Vater Schriftsteller, Bruder Regisseur, da weiß man ja, dass diese Leute oft einmal nicht ganz einfach im Umgang sind. Kurzum, es kann einem schon angst und bange werden, wenn man sich darauf vorbereitet, Herrn Faldbakken persönlich gegenüberzutreten: Michel Houellebecq, Bret Easton Ellis und Jonathan Meese in einer Person, das noch mit Wikingerstatur, na danke schön.

Milde Sorte. Und dann ist natürlich alles ganz ­anders: Matias Faldbakken entpuppt sich als mildes und aufmerksames Gegenüber. Negativitätsgetrieben? Ja, das stimme schon, aber eigentlich interessiere er sich für „destruktiven Fortschritt“ und dafür, „wie sich durch den Fortschritt Werte verändern, das will ich beschreiben und durch das Schreiben an dieser Veränderung teilhaben“. Aha. Dass er sowohl als Schriftsteller wie auch als bildender Künstler erfolgreich ist, darum macht er nicht viel Aufhebens – dankenswerterweise fehlt jede Spur von prätentiöser Abgehobenheit. Warum hat er sich aber nach dem Kunststudium ­Anfang der Nullerjahre dem Schreiben zugewandt? „Das institutionalisierte Kunstwesen hat mich gelangweilt und blockiert“, meint er. „Schreiben hatte für mich eine befreiende Wirkung, ich wusste weder ­etwas über literarische Gepflogenheiten noch über den Literaturbetrieb als solchen. Darum konnte ich hier im Unterschied zur Kunst völlig frei agieren.“ Mit der Unbefangenheit kommt der Erfolg, denn die ­Romane „The Cocka Hola Company“ (2001, deutsch 2003), „Macht und Rebel“ (2002, deutsch 2005) und „Unfun“ (2008, deutsch 2009) bescheren dem guten Mann Kultstatus. Er gilt als skandinavische Antwort auf Houellebecq. Dessen Werk er kennt? „Als ich meinen ersten Roman zu schreiben begann, las ich die ‚Ausweitung der Kampfzone‘, ein gutes Buch, und habe seine Arbeit seitdem verfolgt. Natürlich, das Düstere, die Misanthropie, das sind offensichtliche Parallelen in unserem Schreiben, er ist aber ein sehr psychologischer, literarischer Schriftsteller.“

Und ein literarischer Schriftsteller, das will Matias Faldbakken ja nun gerade nicht sein. Außerdem fällt auf, dass mit dem lockeren Parlieren sofort Schluss ist, wenn er sich seinem Kunstschaffen zuwendet: Hier ist Ernst angesagt. Die Literatur indes­sen wirkt rückblickend fast wie ein willkommenes Katapult – bescherten ihm seine aus der Hüfte verfassten Romane doch einen so großen Bekanntheitsgrad, dass auch in der Kunst kein Klinkenputzen mehr nötig war. „Als Künstler“, bemerkt Faldbakken, „arbeite ich heute eigentlich nur mehr auf Einladung.“

Und das nicht an den übelsten Adres­sen: 2005 war er im Nordic Pavilion auf der Kunstbiennale in Venedig vertreten, 2009 widmete ihm das Museet for samtidskunst in Oslo eine Personale, 2010 bespiel­te er gemeinsam mit Moni­ca Bonvicini das Fridericianum in Kassel. Auf die Eröffnung der heurigen Biennale in Venedig verzichtet er: „Es wird ja keine Arbeit von mir dort gezeigt, und ich bin nicht wirklich darauf ­erpicht, nur zum Cocktailtrinken hinunterzufahren.“ Es gibt ohnehin anderes zu tun, da bereitet er sich schon lieber auf die im Juni anstehende Skulptur-Gruppenausstellung in der Zürcher Galerie Eva Presenhuber vor, die ihn seit Kurzem vertritt.

Balanceakt. Im deutschsprachigen Raum ist Matias Faldbakken ungeachtet seiner eigenen Präferenzen („Von der Literatur habe ich mich immer ferngehalten, so gut es ging, den Kontakt weder zu Verlagen noch zu anderen Autoren gesucht – es ist immer dabei geblieben, dass ich mich mit Künstlern durch die Kunstwelt bewegt habe“) und aufgrund des großen Erfolgs seiner Bücher den meisten wohl eher als Autor ein Begriff.

Dazu tragen nicht zuletzt diverse Dramatisierungen seiner Romane bei, wie zuletzt in der Garage X in Wien, wo „Unfun“ gegeben wurde. Wie geht es ihm aber damit, wenn er selbst im Publikum sitzt? „Manchmal finde ich das schon sehr peinlich und ernied­rigend, was auf der Bühne veranstaltet wird, weil sich ja das Material des geschriebenen Texts verändert, sobald er vorgetragen wird. Und bei meinem Schreiben geht es immer um das Ausbalancieren von Blödsinn und Klischees. Wenn meine Bücher zu gespro­chener Sprache werden, kippt das Ganze oft, und die Grenze zur Stupidität wird überschritten.“
Was in Wien aus seinem Text gemacht wurde, scheint ihm aber ganz gut gefallen zu haben. Das Bühnenbild, bemerkt er, sei vielleicht ein bisschen gar plakativ. „Ich will mich aber gar nicht mit solchen Aspekten befassen. Wenn man erst einmal damit anfängt, nimmt es kein Ende. Und das kann ich mir nicht leisten.“ Schließlich ist er mit der Kunst ausreichend beschäftigt – und hat mit der Literatur vorläufig abgeschlossen. Vor vier Jahren entstand sein letztes Buch, seitdem „finde ich es schwierig, die Zeit und die Konzen­tration fürs Schreiben zu finden“. Und wenn da doch noch etwas käme, dann müsste das fernab von Sex und Splatter angesiedelt sein. „Noch einmal etwas Ähnliches wie die ,Skandinavische Misanthropie‘ zu schreiben, das wäre unmöglich. Schon weil sich das so anfühlen würde, als würde ich mich selbst kopieren. Und das hätte ja wohl wenig Sinn.“

Unfun. Die Produktion der Garage X wird Mitte ­Juni in Oberhausen gezeigt.

Eva Presenhuber. Eine Ausstellung mit Arbeiten von Matias Faldbakken eröffnet am 11. 6. in Zürich

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