Roche in der Kritik: "Familienunglück zur Schau gestellt"

Roche Kritik Familienunglueck Schau
Roche Kritik Familienunglueck Schau(c) Dapd (David Hecker)
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Auf dem Weg zu ihrer Hochzeit starben Charlotte Roches Brüder. Ihr Stiefvater wirft ihr vor, den Unfall auszuschlachten. Alice Schwarzer schrieb einen offenen Brief.

Charlotte Roches Debüt-Roman "Feuchtgebiete" löste vor drei Jahren ein regelrechtes literarisches Erdbeben in Deutschland aus, auch um dem Nachfolger "Schoßgebete" gibt es jede Menge Wirbel. Zwei gewichtige Kritiker haben sich am Montag zu Wort gemeldet: Alice Schwarzer und Roches Stiefvater Ulrich Busch, ein Ex-Mann ihrer Mutter Liz. Insbesondere Busch erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ex-Moderatorin und Autorin. "Ohne Rücksicht, Skrupel und Respekt wird das Familienunglück zur Schau gestellt und vermarktet", sagte er stern.de.

Gemeint ist jene Schlüsselpassage in "Schoßgebete" über den tragischen Unfalltod der Brüder der Protagonistin, der unverkennbar Parallelen zu Roches Leben aufweist: Ihr Bruder William (21), ihr Halbbruder David (9) und das Pflegekind Dennis (6) verunglückten 2001 auf dem Weg zur geplanten Hochzeit der Autorin mit ihrem damaligen Freund, dem Musikjournalisten Eric Pfeil. Roches Mutter wurde schwer verletzt.

"Sie sind wie meine Brüder"

Die Bestsellerautorin hatte sich dazu nie öffentlich geäußert - bis jetzt. Im Buch heißen die drei Brüder zwar Harry, Lukas und Paul, aber Alter (24, 9 und 6 Jahre) und Unfallhergang sind sehr ähnlich. "Ich zähle alle toten Tiere auf dem Weg. Sie sind wie meine Brüder: unschuldig, klein, natürlich", lässt Roche ihre Protagonistin denken. Und: "Ich habe Angst vor meinen toten Brüdern, vor dem schlechten Gewissen, dass ich lebe."

Busch wirft Roche nun vor, den Unfall werbewirksam auszuschlachten. Sie habe ihn vor einem Jahr außerdem dazu bewegen wollen, ihr die Unterlagen zu dem Unfall auszuhändigen. Sie habe damals gesagt, dass sie Dokumente wie Obduktionsberichte, Totenscheine und Gegenstände aus dem ausgebrannten Wagen für eine Therapie brauche. Busch habe ihr die Unterlagen jedoch verweigert. "Jetzt weiß ich, wofür sie die Dokumentation haben wollte. Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht."

Roche bestritt jedoch, dass sie die Dokumente für das Buch benutzen wollte. "Die Aufarbeitung dieser Akten, die mir mein ehemaliger Stiefvater ja leider nicht ausgehändigt hat, wäre ein wichtiger Teil meiner Traumatherapie gewesen."

Alice Schwarzer: "Du hast nicht die Lösung"

Auch Alice Schwarzer stößt sich an den autobiografischen Zügen. Sie selbst kommt in "Schoßgebete" immer wieder als eine Art Über-Feministin vor und wird wenig schmeichelhaft geschildert. In einem offenen Brief an Roche auf ihrer Website schrieb die 68-Jährige: "Eines allerdings wäre fatal: Wenn deine Leserinnen deine verruchte Heimatschnulze über Sex & Liebe für ein Rezept halten würden. Denn du hast nicht die Lösung, du hast das Problem."

"Teilweise ist das Buch sehr unfeministisch", sagte Roche in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". So geht die Protagonistin etwa ihrem Mann zuliebe mit ins Bordell. "Ich selbst bin ja komplett gehirngewaschen von der Erziehung meiner Mutter, was Siebziger-Jahre-Feminismus angeht, und für mich ich das eine Befreiung zu sagen: Ich interessiere mich für die Wünsche meines Mannes, ich will ihn glücklich machen."

Sexszenen als Verkaufsgag

Schwarzer sieht sich als "feministische Rachegöttin" Seite an Seite mit Roches Mutter durch das Buch geistern. Sie verstehe schon, dass Roche damit auf ihre "so forciert emanzipierte Mutter" reagiere. "Aber deine Mutter hat auch nur auf ihre Mutter, deine Großmutter, reagiert. Und du wiederum, du reagierst nun auf deine Mutter - und machst es wie die Großmutter. Soll diese fatale Wechselwirkung immer so weitergehen?"

Die relativ wenigen Sexszenen in dem Buch halte sie eher für einen Verkaufstrick, schreibt Schwarzer. "Dieser von dir wie durch ein Mikroskop klinisch betrachtete eheliche Sex zwischen Wirsingeintopf und Wärmedecke klingt wenig aufregend."

(Ag.)

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