Der iranische Vizekulturminister dankte Günter Grass in einem Brief für dessen "Menschlichkeit" und "Verantwortungsbewusstsein".
Das Urteil des Schweizer Historikers Raphael Gross war verheerend: Ein „Hassgesang“ sei das Israel-Gedicht des deutschen Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass, schrieb Gross am Samstag in der „Berliner Zeitung“. Es sei aber dennoch nicht leicht, Grass als Antisemiten zu bezeichnen. Doch aus der NS-Zeit stammende Urteilsformen wirkten weiter nach. Deren Echo sei leider gar nicht so selten zu hören, „wenn wir der Generation Grass nur genau zuhören“.
Grass hatte Israel als „Gefahr für den Weltfrieden“ gescholten, vor einem „Erstschlag“ gegen den Iran gewarnt (siehe Seite 7) und damit für eine hitzige Debatte gesorgt, die am Wochenende ihre Fortsetzung fand. Der Dramatiker Rolf Hochhuth schrieb in einem offenen Brief an Grass, er schäme sich „als Deutscher Deiner anmaßenden Albernheit, den Israelis verbieten zu wollen, ein U-Boot deutscher Produktion zu kaufen“, das Israel zur Verteidigung brauche. Grass selbst wiederholte in der Süddeutschen Zeitung, dass er das Gedicht wohl nicht mehr in derselben Form schreiben würde. Er würde deutlicher hervorheben, mit seiner Kritik nicht Israel, sondern Israels Regierung zu meinen.
Zuspruch erhielt Grass unterdessen von Irans Vizekulturminister Jawad Shamakdari. „Ich habe Ihr warnendes Gedicht gelesen, das auf so großartige Weise Ihre Menschlichkeit und Ihr Verantwortungsbewusstsein zum Ausdruck bringt“, schrieb der Funktionär des Mullah-Regimes dem Schriftsteller in einem Brief, der von iranischen Medien zitiert wurde. Shamakdari dankte Grass dafür, „die Wahrheit“ gesagt zu haben. Er hoffe, das Gedicht werde „das eingeschlafene Gewissen des Westens aufwecken“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2012)