"Die Zeit des Verschenkens geht langsam zu Ende"

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Symbolbild(c) Erwin Wodicka
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Fünf Fragen an fünf Zeitungschefs. 2012/2013 wird „wieder schwierig“, meinen sie – und rechnen nicht damit, dass alle Zeitungen die kommenden fünf Jahre überleben werden. Manche ziehen um, andere planen Layoutreformen – und alle suchen nach der besten Online-Strategie.

1 Geben Sie uns eine kurze Einschätzung: Wie wird das kommende Jahr für die Printmedienbranche? Was wird die größte Herausforderung?

2 Welche Neuerungen werden Sie im kommenden Jahr in Ihrem Blatt umsetzen?

3 Welche Auswirkungen wird das neue Medientransparenzgesetz auf Ihre Zeitung bzw. die Branche haben?

4 Wird es in fünf Jahren noch alle Printtitel in Österreich geben?

5 Stichwort: Neue Formen des Journalismus. Was wird sich in Ihrem Blatt/Ihrer Redaktion langfristig durchsetzen?

Alexandra Föderl-Schmid

Ko-Herausgeberin und
Chefredakteurin, „Der Standard“

1. Antwort: Spannend wegen der Wahlen in Österreich und Deutschland. Und ökonomisch schwierig.


2. Der Umzug des „Standard“ in ein neues Gebäude bewirkt Neuerungen. Wir wollen unser Credo „Zusammenarbeit statt Zusammenlegung“ bei Print und Online stärker umsetzen.


3. Dass es dieses Gesetz gibt und sich nicht mehr einige wenige Politiker in einigen wenigen Publikationen bejubeln lassen können, ist ein Fortschritt. An der Umsetzung insbesondere in den Boulevardzeitungen wird sich zeigen, ob es funktioniert.

4. Vermutlich nicht. Was im Falle des „Wirtschaftsblatt“ sehr schade wäre.

5. Die Beobachtung der sozialen Medien.

Helmut Brandstätter

Chefredakteur, „Kurier“

1. Antwort: Wieder schwierig. Wenn die Wirtschaft nicht wieder wächst, werden die Werbebuchungen stagnieren. Ein Thema wird die Nationalratswahl 2013. Wir haben ja das Medientransparenzgesetz durchgesetzt, aber die Politik wird versuchen, zumindest im Boulevard ihre Deals zu machen. Da werden wir allen Beteiligten genau auf die Finger schauen.

2.
Wir werden Ende Oktober, Anfang November, jedenfalls noch in diesem Jahr, die äußere Form des „Kurier“ leicht verändern.

3. Bei uns sehe ich keine Auswirkung, bei der Politik hoffe ich auf ehrliche Zurückhaltung. Bei den Medien auf zurückhaltende Ehrlichkeit. Weil ich halt ein Optimist bin.

4. Ich hoffe, dass es noch alle Titel geben wird, die sich um ehrlichen Journalismus bemühen und nicht durch unanständige Geschäfte finanziert werden.

5. Print und Online werden weiter zusammenwachsen. Wir werden diesen Prozess aktiv vorantreiben

Eva Dichand

Herausgeberin, Gratiszeitung „Heute“

1. Antwort: Schwieriger als die Jahre zuvor. Die Budgets der Werbekunden werden immer mehr optimiert. Sehr spezielle Nischenprodukte und große Reichweitenjumbos werden bevorzugt. Die größte Herausforderung wird sein, dem Werbekunden begreiflich zu machen, dass nicht alles im Internet funktioniert. Teilweise wird die Werbewirkung des Internets völlig überschätzt und Printmedien künstlich schlechtgeredet.

2. Mehr Spezialthemen und eine viel stärkere crossmediale Vernetzung mit Internet, iPad und vor allem Mobiltelefon.


3. Gar keine. Wir haben in Wien einen derartigen Reichweitenvorsprung gegenüber der Konkurrenz, dass sich eher die Sorgen machen muss. Wir sind eines der ganz wenigen Medien, die noch immer kontinuierlich jährliche Zuwächse in der Reichweite zu verzeichnen haben. In gewissen Bereichen werden wir eher stärker zum Zug kommen.

4. Das glaube ich nicht. Es wird sicherlich eine Marktbereinigung geben. Es gibt jetzt schon genug Titel, die künstlich am Leben gehalten werden.

5. Wir werden inhaltlich nicht allzu viel verändern, der laufende Erfolg, das Wachstum geben uns da ja recht. Wir werden aber den Online-Bereich stark ausbauen und auf Themengebiete setzen, die mit klassischen Nachrichten wenig zu tun haben.

Manfred Perterer

Chefredakteur, „Salzburger Nachrichten“

1. Antwort: Nicht nur das kommende Jahr wird schwierig. Wesentliche Anzeigenmärkte brechen ein, das erhöht den Spardruck. Investition in die journalistische Qualität wird zur Überlebensfrage werden. Wir müssen noch viel stärker die herausragenden Möglichkeiten von Print herausstreichen: Weg von der schnellen Nachricht, die erwartet niemand mehr von der gedruckten Zeitung. Dafür Hintergrund, Analyse, Kommentar, Erklärjournalismus. Die ganz große Chance liegt im Regionalen.

2. Wir machen mit Reader Scan einen weiteren Schritt auf unsere Leser zu, wir planen eine inhaltliche und optische Veredelung der „SN“, wir bringen mit „Sport am Montag“ das größte Regionalsportmagazin Salzburgs als wöchentliche Beilage zur Zeitung.

3. Wir haben in der Vergangenheit schon nicht von öffentlichen Anzeigen profitiert, sie werden uns auch in Zukunft nicht abgehen. Diejenigen, die sich schon jetzt für gutes Steuergeld redaktionell einschleimen, werden auch in Zukunft einen Weg für ihre dubiosen Geschäfte finden.

4. Gerade für die Titel, die auf die Presseförderung angewiesen sind, wird es hart. Ich halte es für wahrscheinlich, wenn auch nicht für gescheit, dass „Wirtschaftsblatt“ und „Die Presse“ bald zusammengelegt werden.

5. Der gute, alte, professionelle Journalismus in all seinen modernen Ausprägungen wie etwa dem Datenjournalismus bekommt wieder mehr Bedeutung. Gott sei Dank! Alle Formen des sogenannten Bürgerjournalismus halte ich für lustig, aber nicht für relevant. Das ist Unterhaltung, keine Information. Wer würde sich schon von einem Bürger-Zahnarzt behandeln oder von einem Bürger-Piloten in den Urlaub fliegen lassen? Niemand.

Florian Klenk

Chefredakteur, Wochenzeitung„Falter“

1. Antwort: Es wird eine konservativere Presse geben, wir werden erleben, was Cost Cutting bedeutet. Es wird uns auch die Frage beschäftigen, was der Styria wichtiger ist: Journalismus oder Content Management. Die größte Herausforderung wird sein, junge Menschen zum Zeitunglesen zu bringen. Das funktioniert, aber es ist schwer, die 20- bis 30-Jährigen zum Bezahlen zu bringen. Da muss man mehr bieten als Infotainment, man braucht unabhängigen Journalismus. Das kostet, die Zeit des Verschenkens geht langsam zu Ende.


2. Wir haben unsere investigative Seite stark ausgebaut, auch unser Online-Bereich verändert sich. Wir haben den „Falter“ als App und E-Paper. In Zukunft wird man auch Artikel kommentieren und posten können, allerdings nicht anonym. Wir wollen auch noch mehr Richtung Wochenzeitung gehen, also analytisch arbeiten. Das können sich die Tageszeitungen nicht leisten, wir haben aber länger Zeit, über die Themen nachzudenken. Wir bieten mehr als das iPhone.

3. Relativ wenig. Die Politikerinserate werden sich ändern, aber ich halte die Aufregung für übertrieben. Wenn ein Politiker in Form eines Inserates seine Leistungen bewirbt, ist das noch keine Korruption. Das Gesetz wird sich nicht auf die journalistische Qualität auswirken, aber auf die Inseratenlandschaft.

4. Ich frage immer den Trafikanten, was sich am besten verkauft. Der sagt, der „Spiegel“ geht immer, der könnte auch zehn Euro kosten. „Österreich“ geht nur, solange es gratis ist. Ich bin aber keiner, der Zeitungen krankjammert. Wer aber nicht mehr bietet als das, was ich ohnehin gratis im Internet lesen kann, wird sterben. Das trifft vor allem den Boulevard, das zeigen auch die Einbrüche der „Krone“. Die Leser merken eben, wenn eine Zeitung gekauft ist – Stichwort Faymann.

5. Das Erzählen einer Geschichte von Anfang bis Ende wird sich immer halten. Wo die Story erzählt wird, ob über Print oder den Bildschirm, ist im Endeffekt egal. Wer aber keine unabhängigen Storys schreibt, sondern die Version desjenigen, der bezahlt, der wird Probleme kriegen. Es gibt immer mehr gute, junge Journalisten und Ausbildungen, die es früher nicht gab. Auch Journalisten aus Deutschland dringen nach Österreich. Joachim Riedl zieht dort eine Generation von guten Journalisten heran. Das war früher anders, da kam man über Freunde in eine Redaktion, die Journalisten waren weniger vernetzt als heute. Im Falter haben wir viele Junge, die von der FH kommen, damit ändert sich auch die Qualität. Das merkt man beim „Falter“ und beim „Standard“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2012)

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