TV-Sender beenden Krieg um Lautstärke

TVSender beenden Lautheitskrieg
TVSender beenden LautheitskriegDie Presse (Fabry)
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Auf Initiative eines Österreichers wird die Lautstärke im Fernsehen ab sofort einheitlich geregelt. Die Werbung darf ab 1. September nicht mehr lauter als die Sendungen sein. Im Radio ist das noch anders.

Mit 1. September endete für TV-Zuseher ein lästiges Kapitel. Der hektische Griff zur Fernbedienung, wenn der Werbeblock unvermittelt mit doppelter Lautstärke hereinbricht, ist nicht mehr notwendig. Die Sender in Österreich und Deutschland führen eine einheitliche Lautstärke ein. Mit der neuen Regelung reagieren die TV-Anstalten auf die häufigste Beschwerde von Zusehern, die damit ganz nebenbei einen Krieg beendet haben.

Gefühlt lauter und besser

Der "Loudness War" tobt seit Jahren, denn jeder will die Ohren auf sich lenken. So ist nicht nur der Werbeblock lauter, sondern auch die eine Werbung dröhnender als die andere und selbst zwischen TV-Sendern gibt es Sprünge. Der Lautheitskrieg basiert auf der "gefühlten Lautstärke". Das ist vergleichbar mit dem Phänomen, wenn sich die Temperatur bei starkem Wind gleich um etliche Grad kälter anfühlt als der Messwert. Interessant ist, dass lautere Musikstücke nicht nur mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken, sondern auch als besser empfunden werden. Das hat damit zu tun, dass wir bei dem gleichen Musikstück, wenn es lauter abgespielt wird, die Tiefen und die Höhen besser hören können und dadurch einen besseren Eindruck haben, erklärt Florian Camerer vom ORF im Gespräch mit DiePresse.com.

Ein einfacher Trick und der Haken

Die Lautstärke lässt sich trotz Spitzenpegelbegrenzung mit einem relativ simplen technischen Trick manipulieren. Es wird einfach der gesamte Pegel stark angehoben und anschließend mit einem sogenannten Kompressor die Signalspitzen "abgeschnitten". So ließ sich auch die bisher gültige Pegel-Obergrenze einfach umgehen. Die Methode hat aber auch einen Haken, sie geht nämlich auf Kosten des Dynamikumfangs und Lautstärkenuancen - oft ein wesentliches Stilmittel - gehen verloren. Kurz gesagt, es leidet die Klangqualität.

ORF-Techniker rettet den Klang

Beenden konnte den Lautstärkekrieg im Fernsehen nur eine neue Richtlinie, die eben nicht auf dem Spitzenpegel als Referenz basiert. Mit 1. September  - in Deutschland schon einen Tag früher - halten sich die TV-Sender stattdessen an eine maximale Lautheit, die in einer Empfehlung der Europäischen Rundfunkunion (EBU) festgehalten ist. Zu verdanken ist die Initiative übrigens einem Österreicher. ORF-Tontechniker Camerer regte die Diskussion bereits 2008 an und leitet die für die Umstellung zuständige EBU-Arbeitsgruppe Ploud. Dass die Umsetzung so lange gedauert hat, liegt daran, dass sich für die Tontechniker eine wesentliche Grundlage ihrer Arbeit radikal geändert hat. Die Umstellung sei eine "echte Audiorevolution", meint Camerer. Für die Sender ist die Änderung auch mit Kosten verbunden - etwa für dutzende neue Messgeräte.

Mit an Bord sind in Deutschland und Österreich alle öffentlich-rechtlichen Sender und alle großen Privaten, erklärt Camerer. Die Sender setzen die Empfehlung freiwillig um, was nicht in allen Ländern selbstverständlich ist. Spanien etwa arbeite an einem Gesetz, sagt Camerer. Der Lautheitskrieg ist noch nicht in der gesamten EU zu Ende, in ein bis zwei Jahren dürfte es aber so weit sein, schätzt der Experte. 

Popmusik fünfmal lauter als TV

An einer anderen Front tobt der Lautheitskrieg nach wie vor ungebrochen. Die Musikindustrie kennt keine Standards für Lautstärke oder Lautheit. Für die Popmusik bezeichnet Camerer die Situation sogar als "katastrophal". Dort sei mittlerweile ein etwa zehnmal höherer Pegel üblich, als jener, der ab Samstag im Fernsehen gelte. Noch. Denn auch dort beginnt langsam ein Umdenken. Während die CD für den Experten bereits ein "lost case" ist, scheint das Problem im Internet lösbar. Konkret setzt bereits der Streaming-Anbieter Spotify auf Lautheit als Referenz und auch mit dem Entwicklerteam von iTunes gebe es schon Gespräche zur Erweiterung des Lautstärkeangleichs von Apple, erzählt Camerer. Die nächste große Baustelle für sein Ploud-Team sei aber das Radio. "Das wird sicher wieder ein bis zwei Jahre dauern, ist aber der nächste logische Schritt". 

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