Auftragsvergabe: ORF darf nicht freihändig vergeben

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Bundesvergabeamt erließ vergangene Woche einen richtungsweisenden Bescheid. Der ORF muss Aufträge künftig öffentlich ausschreiben. „Jetzt ist endlich für Transparenz gesorgt“, meint Kurz.

Wien. Da gewinnt der ORF einen Rechtsstreit und kann sich nicht darüber freuen. So geschehen Ende vergangener Woche. Da erließ das Bundesvergabeamt (BVA) nämlich den Bescheid zum Vergabestreit über die Errichtung eines Containerdorfes auf dem Küniglberg, „Die Presse“ berichtete im Mai darüber. Der Küniglberg muss saniert werden, 300 Mitarbeiter wurden in Container ausquartiert. Die Vergabe des 2,6 Millionen Euro großen Auftrags wurde vom unterlegenen Bieter angefochten. Die Firma K.E.M Montage sah sich als Billigstbieter – und blitzte damit vor dem BVA ab. Für den ORF ist es allerdings ein Pyrrhussieg.

Denn in dem Bescheid, der der „Presse“ vorliegt, kommt das Bundesvergabeamt zum Schluss, dass der ORF künftig Aufträge ab einer Summe von 100.000 Euro österreichweit, Bauaufträge über fünf Millionen sogar EU-weit ausschreiben muss. Bisher hat der ORF immer den Standpunkt vertreten, kein öffentlicher Auftraggeber zu sein.

So auch bei der Vergabe des Containerdorfes. Der ORF lud einige Unternehmen ein, sich um den Auftrag zu bewerben und anzubieten. Eine öffentliche Kundmachung erfolgte dabei allerdings nicht. Für viele Kritiker war dies ein untragbarer Zustand.

„Endlich für Transparenz gesorgt“

Und diese bekommen nun vom Bundesvergabeamt ordentlich Munition geliefert. „Als öffentlicher Auftraggeber unterliegt er (der ORF, Anm.) dem persönlichen Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes [...] und hat die Vergabe von Leistungen grundsätzlich nach dem vergaberechtlichen Regime vorzunehmen“, heißt es.

„Die Aussage des Bundesvergabeamts ist eindeutig und ohne jeden Zweifel“, sagt Thomas Kurz von Heid Schiefer Rechtsanwälte. Die auf Vergaben spezialisierte Wiener Kanzlei vertrat die Firma K.E.M Montage. „Jetzt ist endlich für Transparenz gesorgt“, meint Kurz. Denn nach diesem Bescheid kann jeder potenzielle ORF-Lieferant eine Vergabe, die nicht ausgeschrieben wird, anfechten.

Richard Grasl, Kaufmännischer Direktor des ORF, gab sich im Gespräch mit der „Presse“ am Dienstag gelassen. „Wir lassen das juristisch prüfen“, sagt er und betont, dass der ORF in der Vergangenheit ohnehin „große Aufträge freiwillig ausgeschrieben“ habe. Nur bei den „operativen Kleinigkeiten“ habe man den schnellen, unbürokratischen Weg bevorzugt.

So generös wie Grasl es darstellt, gab sich der ORF bei Großaufträgen aber nicht. Tatsächlich hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade einmal zwei Aufträge EU-weit ausgeschrieben. Beide erfolgten im Juli. Also zu einem Zeitpunkt, als sich längst abzeichnete, dass der ORF mit seiner Meinung, kein öffentlicher Auftraggeber zu sein, ziemlich allein auf weiter Flur stand.

Bei den EU-weiten Ausschreibungen handelt es sich übrigens um die Sanierung des Küniglbergs und die dazugehörige Bauaufsicht. Beide Ausschreibungen enthalten den Zusatz: „Die Bekanntmachung im EU-Amtsblatt erfolgt freiwillig. Hingewiesen wird darauf, dass der ORF kein öffentlicher Auftraggeber ist.“

Theoretisch kann der ORF den BVA-Bescheid vor dem Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof anfechten. Die Chancen, diesen Rechtsstreit zu gewinnen, stehen allerdings sehr schlecht. 97 Prozent der Bescheide des Bundesvergabeamts hielten bisher einer Anfechtung stand.

Seit vielen Jahren halten Experten die Vergabepraxis des ORF für rechtlich bedenklich. Der Fall ORF wirft auch ein interessantes Licht auf die Kompetenzen des Bundesvergabeamtes. Dieses darf nämlich nicht von Amts wegen tätig werden, sondern muss zuweilen warten, bis eine kleine Firma aus dem niederösterreichischen Biedermannsdorf eine Vergabe anficht, einen zukunftsweisenden Bescheid erwirkt und selber dabei leer ausgeht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2012)

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