Fernsehen in der "Todeszone Vorabend"

Fernsehen Todeszone Vorabend
Fernsehen Todeszone Vorabend(c) Puls 4 / Meissner
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Die TV-Sender buhlen um die Aufmerksamkeit der jungen Zuseher am Vorabend. Puls4 startet am Sonntag die Info-Show "Guten Abend Österreich", ORF eins bastelt an einer verlängerten "ZiB".

Was für den Zuseher die angenehmste Zeit des Tages sein sollte, trägt im Wörterbuch der Fernsehmacher den Namen „Todeszone“. Gemeint ist die Zeit zwischen 18 und 20.15 Uhr: der Vorabend. Dann also, wenn die Menschen nach Hause kommen, vielleicht kochen, duschen oder meditieren, die Hausaufgaben der Kinder kontrollieren, endlich die Mutter zurückrufen oder immer noch arbeiten. Doch was sie tun sollten, wenn es nach den Programmplanern geht, tun sie nur nebenbei oder immer öfter gar nicht: fernsehen.

Ihren schlechten Ruf hat diese Tageszeit im Fernsehgeschäft, weil es hier so schwierig ist, viele Seher für neue Sendungen zu begeistern. Die alteingespielten Formate wie „Bundesland heute“ auf ORF mit bis zu 1,4 Millionen Sehern funktionieren zwar noch – doch die Jugend spielt lieber Computer oder klickt sich durch neue YouTube-Videos. Es ist das bisher wenig bestellte Feld der Fernsehunterhaltung, das die TV-Sender nun enthusiastisch beackern. Denn wer die Seher um diese Zeit gefangen hat, hat größere Chancen, dass sie bis zum Hauptabend ab 20.15 Uhr hängen bleiben. Nach dem Morgen und dem Mittag rückt jetzt die Zeit des Nachhausekommens näher in den Fokus der Programmplaner.

Ein solches Coming-home-Format bringt nun der Privatsender Puls4 auf den Schirm. Ab Montag werden die drei Moderatoren Thomas Mohr (als Main Anchor), Corinna Milborn (als Nachrichtenexpertin) und Norbert Oberhauser (als Mann für die leichten Themen Society, Service und Lifestyle) die Zuseher täglich um 18.45 Uhr aus ihrem Studio-Wohnzimmer begrüßen. Der Start der Sendung wurde um einige Wochen vorverlegt, mit ein Grund dafür dürften die Planungen des ORF sein, ab März eine verlängerte „ZiB 20“ auf dem Einser zu starten (von 19.45 bis 20.15 Uhr). Details zur neuen Sendung, etwa wer die Leitung übernimmt, dürften nächste Woche bekannt werden.


Prominenter Gast: Heinz Fischer.
Die einstündige Sendung auf Puls4 soll Kontrapunkt zum eingespielten Frühstücksmagazin „Café Puls“ (mit durchschnittlich 62.000 Sehern) sein. Von einem anderen Morgenmagazin, der amerikanischen „Morning Show“ auf CBS, hat man sich viele Ideen geholt. Die „größte Innovation“ sei, erzählt Puls4-Senderchef Markus Breitenecker, die neue Moderatorenkonstellation: Zu dritt werden sie um einen dreiarmigen Tisch im rund 200m² großen Studio sitzen und einander zugewandt miteinander sprechen.

Der erste Teil der Sendung ist Nachrichtenthemen gewidmet und einem Bundesländer-Schwerpunkt kurz vor 19 Uhr (bewusst vor dem Start der „Bundesland heute“-Sendungen auf ORF). Nach der ersten (von zwei) Werbepause folgen das Wetter, ein Exklusivinterview mit einem besonderen Gast und die Nachrichten über Stars, Mode und Stadtleben. In der ersten Sendung am Montag wird, je nach Ausgang der Volksbefragung, der „Gewinner“ der Abstimmung zu Gast sein. Das haben Vizekanzler Michael Spindelegger (VP) und Verteidigungsminister Norbert Darabos (SP) versprochen. Mit den weiteren angekündigten Gästen, Volksmusik-Phänomen Andreas Gabalier (Dienstag) und Bundespräsident Heinz Fischer (Mittwoch), wird klarer, wo sich die Vorabendsendung einpendeln will: zwischen sachlicher Politik und weichen Themen.


Moderation mit Meinung. Eine neue Art des Nachrichtenerzählens wollen die drei Moderatoren versuchen, sagt Corinna Milborn. Da sollen nicht nur Beiträge angesagt werden, sondern die aktuellen Geschehnisse zwischen den Zuspielern kommentiert werden und Grafiken, Karten und eine Magnetwand eingebaut werden. Anders als im ORF, wo das Objektivitätsgebot eine zurückgelehnte Art der Moderation verlangt, wollen Milborn und ihre Kollegen Haltung zeigen und den Kommentar nach angloamerikanischem Vorbild ins Fernsehen bringen. Im Ergebnis werde das so sein, „wie der Unterschied zwischen einer APA-Meldung und einer Magazindoppelseite.“

Im ersten Jahr will Markus Breitenecker dem „Guten Abend“ Zeit geben, sich zu entwickeln. Doch bis 2014 soll der Vorabend auf Senderschnitt liegen – „und der ist dann hoffentlich bei vier Prozent Marktanteil“ (derzeit sind es 3,7 Prozent). Das könnte schwer werden. Richard Gutjahr, bekannter deutscher Blogger und Fernsehmoderator in der ARD und im Bayerischen Fernsehen, glaubt etwa, dass es den typischen Nachhausekommer nicht mehr gibt. Die Zeitzone zwischen 18 und 20.15 Uhr sei nicht mehr nur fürs Kochen, Putzen und Fernsehen reserviert – und wenn doch, so hat mittlerweile fast jedes Familienmitglied seinen eigenen Fernseher oder Internetzugang durch Smartphone oder Tablet. „Für Massenmedien ist es immer schwieriger, zu einer bestimmten Uhrzeit viele Menschen zu versammeln“, sagt Gutjahr. Die Ausnahme seien sogenannte Events; Themen und Sendungen, über die am nächsten Tage garantiert alle reden. „Die werden noch größer und erfolgreicher“, zu verdanken haben sie das den sozialen Netzwerken, in denen das Gesehene parallel kommentiert wird.


Mutig, aber zu früh? Die neue Puls4-Sendung klingt für ihn – freilich ohne sie gesehen zu haben – nach einem „mutigen Projekt“, mit dem etwas riskiert wird. „Ich kann mir aber vorstellen, dass es noch zu früh ist. Derzeit befinden wir uns in einer Phase, in der alte Formate nicht mehr und neue noch nicht funktionieren.“ In Deutschland habe es im Vorjahr sogar „ein Blutbad“ gegeben: Thomas Gottschalks ARD-Vorabend-Talk wurde nach wenigen Monaten wegen mangelnder Quoten eingestellt. „Derzeit sind in Deutschland alle ratlos“, sagt Gutjahr. Außer den erfolgreichen Serien und Trashformaten wie „RTL-Explosiv“ funktioniere in der „Todeszone Vorabend“ eben nichts.

Doch Österreichs Fernsehmacher lassen sich von solchen Meldungen nicht entmutigen. Stärkste Konkurrenz für den neuen Vorabend auf Puls4 sind neben den ORF-Sendungen „Konkret“, „Bundesland heute“ und der „Zeit im Bild“ auf ORF2 auch die Nachrichten der Privatsender, wie „RTL aktuell“ und „ATV aktuell“ (19.20–19.45h), das zuletzt bis zu 195.000 Seher erreichte. Auf eine direkte Konkurrenz mit Puls4 hatte ATV offenbar wenig Lust. Vor Kurzem wurde bekannt, dass der Sender sein Vorabendmagazin „ATV Life“ Ende Jänner nach genau drei Jahren einstellt. Stattdessen wird um 20 Uhr, also erst nach dem Ende der neuen Pukls4-Schiene, die frühere Leute-Sendung „Hi Society“ wiederbelebt – mit gleichem Namen, aber ohne Dominic Heinzl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2013)

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