Chris Hughes: Der Millionär als Redakteur

Chris Hughes Millionaer Redakteur
Chris Hughes Millionaer Redakteur(c) Clemens Fabry
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Facebook-Mitgründer Hughes hat 2008 Barack Obamas Internet-Wahlkampf geleitet. Nun versucht er sich beim Magazin "The New Republic" als Journalist – und muss gleich Lehrgeld bezahlen.

Verschmitzt lächelt Amerikas Präsident vom Titelblatt, als hätte er die Schlagzeile neben seinem Antlitz selbst diktiert. „Lassen Sie mich klar festhalten ...“, steht da auf dem Cover des Magazins „The New Republic“. Und damit es auch wirklich jeder versteht, hat die Redaktion den erklärten Zusatz beigefügt: „Der Präsident ist nicht erfreut.“

An den Fragen, die Barack Obama dem neuen Eigentümer und Chefredakteur Chris Hughes sowie seinem Redaktionsleiter Franklin Foer beantwortet hat, kann das nicht liegen. So zum Beispiel eröffnet Hughes, Zimmergenosse von Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Harvard und millionenschwerer Mitgründer, das Interview: „Können Sie uns ein bisschen etwas darüber erzählen, wie Sie sich intellektuell auf Ihre zweite Amtszeit als Präsident vorbereitet haben?“

In Journalistenkreisen pflegt man handzahme Fragen wie diese als Elfmeter ohne Tormann zu bezeichnen. Doch man darf nicht allzu streng mit Chris Hughes sein. Denn Journalismus ist etwas, mit dem er sich erst seit einem Jahr befasst. Im März 2012 kaufte er die todgeweihte liberale Zeitschrift im 98.Jahr ihres Bestehens; er hätte beinahe jeden der nur mehr 34.000 Leser per Handschlag begrüßen können. „Ich glaube an den energischen kontextuellen Journalismus, den wir als Gesellschaft benötigen“, sagte der heute 29-Jährige damals.

Was auch immer „kontextueller Journalismus“ sein mag: Hughes muss sich für seine dieser Tage erschienene erste neu gestaltete Ausgabe von „The New Republic“ einen Interessenkonflikt vorwerfen lassen. Im Jahr 2008 leitete er den Internet-Wahlkampf Obamas, schuf die äußerst wirkungsvolle Plattform myBarackObama.com und wurde landauf und landab als Wunderknabe der Kampagne gefeiert.


Tontauben statt Drohnen. Das ist der Grund, wieso „The New Republic“ Einlass ins Weiße Haus und einen exklusiven Gesprächstermin bekam. Und es ist der Grund, wieso das abgedruckte Gespräch keine einzige kritische Frage enthält. Stattdessen erfährt der Leser erstmals, dass Obama regelmäßig in der präsidentiellen Sommerresidenz Camp David auf Tontauben schießt. Ob das der „energische Journalismus ist, den wir als Gesellschaft benötigen“, sei dahingestellt. Hughes und Foer fragten Obama zum Beispiel nicht, wie er als Friedensnobelpreisträger die gezielten Tötungen mutmaßlicher Terroristen durch Drohnen der CIA rechtfertigt. „Dieses Interview ist ziemlich kritisiert worden. Hughes ist nun einmal kein ausgebildeter Journalist. Die meisten Fragen waren einfach harmlos“, sagt der Medienanalyst Rick Edmonds vom Poynter Institute zur „Presse am Sonntag“.

„The New Republic“ steht in einer Reihe mit Magazinen wie „Harper's“, „Mother Jones“ oder „National Review“, die zwar nie viele, aber stets die richtigen Leser in einflussreichen Kreisen haben, um politische Debatten zu befruchten. Im Jahr 1917 zum Beispiel war „The New Republic“ eine der treibenden publizistischen Kräfte hinter dem Eintritt Amerikas in den Ersten Weltkrieg. In späteren Jahrzehnten war die Blattlinie stets gesellschaftspolitisch liberal, außenpolitisch zählte man zu den Falken: Sowohl die Organisation und Bewaffnung der rechten Contras in Nicaragua als auch beide Golfkriege wurden auf den Seiten des zuletzt nur mehr alle zwei Wochen erscheinenden Hefts lautstark beklatscht.

Bei der Jagd nach heißen Storys hat sich das Magazin allerdings mehrmals in peinliche Affären vergaloppiert. Die berühmteste flog 1998 auf, als der hochgelobte Jungstar Stephen Glass gestehen musste, unzählige Geschichten frei erfunden zu haben. Während des Irak-Kriegs stolperte man mit den ebenfalls fabulierten Erzählungen eines US-Soldaten über Kriegsverbrechen in eine weitere bittere Affäre – die doppelt peinlich war, da er mit einer Faktenprüferin in der Redaktion verheiratet war. Redaktionsleiter war schon damals Franklin Foer, Bruder des Schriftstellers Jonathan Safran Foer. Wiederholte Anfragen um ein Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ wurden von seiner Sprecherin mit dem Hinweis auf Terminnöte abgewiesen.

Fragt sich abschließend: Kann man mit so einem Nischenprodukt Geld verdienen? Rick Edmonds ist skeptisch: „,The New Republic‘ hat in seiner Geschichte öfter Verluste als Gewinne erzielt.“ Hughes' erklärtes Ziel, binnen dreier Jahre kostendeckend zu arbeiten, sei äußerst ehrgeizig. „Solche Magazine werden oft von reichen Leuten geführt, die sich das leisten wollen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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