Harald Schmidt: „Ich lüge eigentlich permanent“

INTERVIEW: HARALD SCHMIDT
INTERVIEW: HARALD SCHMIDTAPA/HARALD SCHNEIDER
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Interview. Wer seine Late-Night-Show sehen will, muss seit September ein Abo beim Bezahlsender Sky haben. Die vergleichsweise niedrigen Quoten stören ihn nicht, sagt Harald Schmidt bei seinem Wien-Besuch.

Die Presse: Seit September läuft Ihre Show dreimal pro Woche auf Sky. Dort haben Sie im Durchschnitt eine Quote von 60.000 Zusehern, das ist fast ein Zehntel weniger als früher bei Sat 1. Macht Ihnen das wirklich nichts aus, wie Sie stets betonen?

Harald Schmidt: Nein. Ich habe ja immer noch ein Publikum. Das ist wie wenn Sie jeden Tag in ein Theater gehen, das ihnen gehört und alles wird finanziell ermöglicht. Auf die Quote habe ich noch nie geschaut - sonst wäre ich vermutlich nicht bei Sky.

Fühlt sich das schon so an, als gehöre Ihnen Sky?

Nicht Sky, mein Studio. Sky ist sozusagen der Fürst oder der Staat, der die Bundestheater finanziert.

Warum sagen Fernsehleute so gerne, sie würden selbst nicht fernsehen?

Ein Koch geht auch nicht jeden Abend ins Sternerestaurant. Es ist vielleicht die Attitüde, es gibt noch ein Leben außerhalb des Fernsehens.

Sagen Sie das auch?

Ja, weil es wirklich so ist. Ich habe aber über 40 Jahre eigentlich alles gesehen. Wenn man „Den großen Preis" mit Wim Tölke und die Peter Alexander-Show gesehen hat, dann weiß man das die Variationsmöglichkeiten im Fernsehen ziemlich begrenzt sind.

Sie haben mehrfach betont, Sky werde Ihre letzte Station. So lange der Sender Sie will, bleiben Sie. Das kann die nächsten 30 Jahre so weitergehen.

Theoretisch ja. So lange Sky die Show haben möchte und ich es gesundheitlich kann, mach ich es.

Was machen Sie dann?

Nichts mach ich dann. Dann bin ich Privatier.

Viel lesen, stand irgendwo.

Das war auch nur so dahin gesagt.

Sie lesen eigentlich nicht?

Doch, sogar sehr viel. Aber das klingt so, als hätte ich einen Stapel an Weltliteratur, den ich abarbeiten möchte.

Lügen Sie bei Interviews?

Eigentlich permanent. Zum einen muss ich neue Themen bringen und zum anderen muss ich auf die immer wiederkehrenden Fragen neu antworten. Oder ich will einfach meine Ruhe - oder ich finde einfach, es klingt etwas gut. Man darf seine Biografie durchaus anpassen und sagen: Hey, das klingt auch nicht schlecht. Es ist eigentlich komplett wurscht, ob wahr ist, was in der Zeitung steht. Es muss ja nur eine Figur entstehen, eine Kunstfigur.

Würden Sie Ihre Show auch bei einem anderen Sender machen?

Nur unter der Bedingung, dass es keine Pressetermine gibt. Das Schlimmste bei einem Senderwechsel sind die Fototermine: Mit Kreativen, die sich etwas überlegt haben. Ein stummer bleicher Assistent, ganz in Schwarz, und ein sexuell nicht ganz entschiedener mit Dreitagebart am ganzen Kopf, der in einem 4000 m2 großen Studio einen Schwimmreifen für Sie aufgeblasen hat. Auf diesen Mist habe ich keinen Bock mehr.

Sie verhandeln mit Sky und würden gerne weitermachen.

Ich bin nicht in der Position, verhandeln zu können. Tolle Ehrlichkeit, oder? Das ist eine gewisse Endstufe von Koketterie. Ich warte, wie die Bosse entscheiden. Meine Verhandlungsposition: Ich würde gerne weitermachen.

Woran scheitert es, am Geld oder den Quoten?

Am Geld.

Sind Sie zu teuer?

Nein. Es geht um die Frage: Braucht Sky für die weitere Strategie diese Show und mich als Moderator. Und ich könnte beide Positionen vertreten, weil wenn ich es nicht könnte, müsste ich irgendetwas von Qualität faseln. Bei Nein könnte man das den Aktionären als Gewinn mitteilen. Wenn ich aber die Strategie habe, von Jahr zu Jahr den Verlust zu mindern und irgendwann in die Eigenproduktion zu gehen und mit Namen verbunden zu werden, dann habe ich eine der größten Marken, die es im deutschen Fernsehen gibt, schon am Bord. Beides ist absolut nachvollziehbar.

Sind die Österreicher oder die Deutschen lustiger?

So pauschal kann man das nicht sagen, eher regional oder nach Städten. Wien hat Karl Kraus, Qualtinger und Josef Hader. München hat Karl Valentin, Thomas Mann, der zwar kein Komiker, aber doch Ironiker war, Leute wie Feuchtwanger und Brecht. Während Berlin (seufz), keine Ahnung. Damit beschäftige ich mich auch nicht. Ich mache einen Witz, den ich gut finde. Wenn einer drüber lacht, schön. Wenn nicht, auch schön.

Im ORF wurde eine Kaiser-Parodie zum Quotenerfolg. Was sagt das über uns aus?

Dass Österreich ein ganz anderes Verhältnis zur Monarchie hat. Auch wenn man kaum Ahnung hat, kennt man einzelne Figuren. Mit Sisi habt ihr einen Popstar, den wir mit Friedrich dem Großen nicht direkt haben.

Die „Süddeutsche" warf Ihnen vor, Sie würden mit Gästen wie der Pianistin Helene Grimaud „mit dem Feuilleton flirten". Was sagen Sie dazu?

Nichts, weil wir haben Presse- und Meinungsfreiheit, von der ich enorm profitiere. Also kann jeder schreiben, was er möchte.

Im Film „Scheitern, scheitern, besser scheitern" haben Sie Gert Voss eine Begegnung mit Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann geschildert, bei der dieser seine Ambitionen für die Burg verriet. Hat Hartmann je darauf reagiert?

Ja, und zwar sehr gut. 1:0 für ihn. Er hat mich einen Clown genannt und gesagt, ich dürfe so etwas. Mittlerweile ist er ja so erfolgreich, dass ich nur sage: Chapeau! Das muss man erst einmal schaffen. Alles, was im deutschsprachigen Raum Rang und Namen hat, ist zumindest auch gastweise an der Burg.

Das war davor aber nicht viel anders. Hartmann konnte auf einem guten Ensemble aufbauen.

Stimmt, trotzdem schafft er das auch in die neue Zeit zu transportieren. Nun gab es Prügel für Nestroy, aber Nestroy in Wien ist natürlich wirklich hardcore. Da muss ich schon genial sein. Das sollte man vielleicht eher die Wiener Standardbesetzung machen lassen.

Die Schauspielei ist für Sie wirklich vorbei?

Völlig vorbei. Ich habe keine Lust den Lear auf einer Freilichtbühne zu spielen. Es gibt so viel tolle Schauspieler, die das glänzend machen.

„Wetten, dass . . ?" hat Sie nie interessiert?

Überhaupt nicht. Zum einen ist die Sendung total mit Thomas Gottschalk verbunden . . .

. . . und mit Schleichwerbung.

Das auch. Dabei kann man nicht einmal sagen, das wurde vertuscht. Zudem sehen Sie die Gäste, die dort auf der Couch sitzen, eigentlich überall. Und die Wetten haben mich noch nie interessiert.

Wieso war eigentlich nie eine Frau als Nachfolgerin für „Wetten, dass . ." im Gespräch?

Großes Thema. Schauen Sie sich mal die ARD-Liste an Show-Moderatoren an: sechs oder sieben Namen, keine Frau. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Würde ich mal die Frauenbeauftragte drauf ansetzen.

Sie sind Vater von fünf Kindern. Wie vereinbaren Sie Beruf und Familie?

Da bin ich unverdient im Megavorteil.

Wieso?

Weil ich viel mehr zu Hause bin als jeder Chefarzt und jeder Firmenleiter, der Bohrmaschinen herstellt.

Ihr Anteil an der Erziehung ist . . .

. . . bei der Erziehung halt ich mich weitgehend raus. Das macht meine Frau. Aber ich bin praktisch vorhanden: hierhin bringen, dort abholen. Ich bin am Wochenende zu Hause, ich nehme mir keine Arbeit nach Hause. Da bin ich leider aus praktischen Gründen ganz weit vorn. Aber bei mir ist das nicht ideologisch befrachtet, weil mit Teilzeit, halbe-halbe habe ich nichts am Hut.

Schmerzt Sie der Abschied von Benedikt XVI.? Sie galten als Anhänger von ihm.

Ich war eher begeistert. Ich dachte, ein Papst kann nicht zurücktreten, sondern muss sterben. Mich hat fasziniert, wie er im Kirchenrecht zu Hause ist, dass es eben geht. Er hat der Kirche damit wieder eine große Möglichkeit zur Erneuerung gegeben.

Vergangene Woche haben Sie ihn, vergleichsweise harmlos, parodiert - mit einer Puppe. Gibt es beim Thema Vatikan/Kirche eine moralische Schranke für Sie?

Da gibt es eine einfache Regel für mich. Religiöse Themen behandle ich alle gleich. Bei der katholischen Kirche ist irgendwie jeder frech. Mir ist es zu billig zu sagen: Der Papst verbietet Kondome und im Vatikan sind viele schwul. Das ist ja nichts Neues.

Gibt es Preise, auf die Sie stolz sind?

Ich hab heuer an die zwölf Preise bekommen, das nehmen Sie gar nicht mehr wahr. Wenn Sie angesagt sind, kriegen Sie jeden Preis. Wenn Sie nicht mehr so angesagt sind, müssen Sie halt zur Romy. Auch da geht man dann hin, war ja auch schön. Das Tolle daran war aber André Heller, weil am nächsten Tag waren wir mit Haneke in Wien unterwegs.

Harald Schmidt Show auf Sky Hits und Aky Hits HD, Dienstag bis Donnerstag, 22.15 Uhr und auf Sky Atlantic HD, 23 Uhr. Die Sendung ist danach auf Sky Go und Sky Anytime zu empfangen

Der Großteil des Interviews entstand im Zwiegespräch mit Harald Schmidt, einige Fragen wurden im Rahmen einer größeren Round-Table-Runde mit mehreren österreichischen Journalisten gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2013)

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