Wo bleibt der Nachwuchs im Journalismus?

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bleibt Nachwuchs Journalismus(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Der Journalistenkollektivvertrag ist auf Schiene, samt Verbesserungen für Freie und Onlineredakteure. Doch der Berufseinstieg wird schwieriger: Der ORF streicht seine Akademie, Magazine wie "Profil" schrumpfen.

Wenn alles gut geht, könnte ab 1.Juli der neue Kollektivvertrag für Journalisten in Kraft treten. Damit wäre die Ungleichbehandlung von Online- und Printjournalisten ein für allemal zu Ende und der Weg frei für einen zeitgemäßeren Redakteursbegriff. Die Einigung zwischen Gewerkschaft und Verlegern war freilich nur mit Kompromissen möglich. Wenn mehr Menschen (auch Onlinemitarbeiter) unter den KV mit besseren Gehältern und Bedingungen fallen, müssen anderswo Mehrkosten eingespart werden: So sind die Einstiegsgehälter deutlich niedriger als bisher, und es gibt nur mehr 14 statt wie bisher 15 Monatsgehälter. Dennoch gab es vor allem von jungen Online- und Printkollegen im Netz ein „großes Dankeschön“ an die Verhandler: Sie hoffen, dass die Zeitungshäuser ihre Ankündigung wahr machen, ständige Freie und pauschalierte Mitarbeiter anzustellen.

Die Medienhäuser können sich nach der Einigung nicht entspannt zurücklehnen. Im Gegenteil: Die Aufnahme der Onlineredakteure bedeutet zunächst einmal eine Kostensteigerung. Für den Journalistennachwuchs wird es also nicht unbedingt leichter, in Medienunternehmen Fuß zu fassen.


ORF-Traineeship findet nicht statt.
So hat etwa der ORF, der von den Änderungen des Print-KV nicht berührt ist, seine Trainingsakademie für dieses Jahr abgesagt. Sehr zum Ärger einiger Bewerber, von denen sich einer öffentlich in seinem Blogtext „Heute hasse ich meinen Job“ beschwerte: Man habe das anstrengende Assessmentcenter absolviert und erst fünf Wochen später erfahren, dass „das Traineeship leider nicht stattfinden wird“. Die Gründe des ORF sind nachvollziehbar: Die Chefetage weiß, dass sie bis 2016 weitere 250 Mitarbeiter abbauen muss. Gleichzeitig fordern Hunderte freie Journalisten seit einem Jahr eine bessere Bezahlung oder Anstellung. „Es wäre unsinnig, Leute in ein Traineeprogramm zu stecken, wenn wir danach keinen Job garantieren können“, sagt ORF-Sprecher Martin Biedermann. Noch 2011 und 2012 konnten die je acht Akademieteilnehmer überwiegend im Informationsbereich übernommen werden. Der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter im ORF liegt derzeit bei 44Jahren. Doch die Durchmischung funktioniert nicht mehr: Ältere Arbeitnehmer werden in den Ruhestand oder in Teilzeit geschickt, wenige Junge kommen nach.

Ähnlich geht es Magazinen wie dem „Profil“. In der Vorwoche wurde bekannt, dass zwei jüngere Redakteure das Haus freiwillig verlassen. Das bedeutet nicht nur, dass die kleine Mannschaft noch weiter dezimiert wird, sondern auch, dass die jüngsten Redakteure Ende dreißig sind. Herausgeber Christian Rainer sieht das nicht so problematisch: Er werde die zwei Posten adäquat, „aber ohne Druck“ nachbesetzen. Und zum Vorwurf, „Profil“ habe zu wenig junge Redakteure sagt er: „Für frisch G'fangte war ,Profil‘ ohnehin noch nie das Richtige. Ich glaube, dass eine gewisse Lebenserfahrung und Reife nötig sind, um bei uns zu arbeiten.“ Er finde auch „nicht, dass 25-Jährige Leitartikel schreiben müssen“. Dass das Magazin zuletzt weniger innovativ erschien, bestreitet er: „Der Eindruck stimmt einfach nicht.“

Fest steht: Die Job-Angebote auf dem Markt sind begrenzt. „Es ist für Junge nicht unbedingt schwieriger geworden, einen Job zu finden, die Frage ist aber: unter welchen Bedingungen?“, sagt Daniela Süssenbacher, interimistische Leiterin des Instituts für Journalismus an der FH Wien, und spricht von einer „Generation Praktikum“: Junge Leute bräuchten viel Durchhaltevermögen, manchmal sogar einen Nebenjob, um sich den Journalismus „leisten zu können“.

Wer aber hat die besten Chancen? „Es wird die eierlegende Wollmilchsau gesucht: jemand der sich inhaltlich auskennt, der eine Professionalisierung hat und auch ein breit gefächertes Wissen, sodass er oder sie jederzeit in anderen Themenfeldern einspringen kann. Natürlich muss man auch von medialer Produktion eine Ahnung haben – auch online – und eventuell in der Lage sein, ein kleines Video zu produzieren.“ Qualifizierung sei heute wichtiger denn je – die Zahl der Bewerber sei trotz negativer Meldungen vom Markt gestiegen.


Die Besten wollen woanders hin.
Auch Elisabeth Wasserbauer, Geschäftsführerin des Kuratoriums für Journalistenausbildung (KfJ), beobachtet den Trend zur Ausbildung: „Die Leute versuchen sich oft gleich mehrfach zu qualifizieren: Uni, FH, Lehrgänge, Kollegs.“ Die besten Chancen auf einen Job hätten „Leute mit Fachwissen und journalistischer Kompetenz“ – also etwa ein Biologe oder auch ein Arabist mit Redaktions-Know-how. Doch nicht nur der Nachwuchs müsse sich um einen Job bemühen – auch die Unternehmen müssten sich anstrengen, findet sie: „Es gibt einen Trend, dass Junge, die Journalisten werden wollten, jetzt lieber Marketing, Werbung oder PR machen.“ Wasserbauer appelliert daher, „das Krankjammern“ endlich sein zu lassen: „Journalismus ist nicht mehr so sexy, wie er war. Früher haben wir uns die Besten ausgesucht, jetzt wollen die Besten woanders hin.“


„Presse“ verjüngt durch Lehrredaktion.
„Die Presse“ hat ihren eigenen Weg gefunden, immer wieder guten Nachwuchs zu finden und sich zu verjüngen – sie veranstaltet regelmäßig eine Lehrredaktion und hat das auch für die Zukunft geplant: Acht bis zehn Bewerber arbeiten nach einem intensiven dreiwöchigen Schreibtraining in verschiedenen Ressorts mit. Viele aus dem „Presse“-Führungsteam sind durch diese Talenteschmiede gegangen. Im Mai, Juni, Juli und August 2013 werden außerdem 16 Praktikumsplätze an angehende Journalisten mit Migrationshintergrund vergeben, um die journalistische Vielfalt in der Redaktion zu fördern: Bewerbungen bis 18. März.

Wo man lernt

Das Institut für Journalismus und Medienmanagement an der FH Wienbietet: ein Bachelor-Studium, das journalistisches Know-how in den Bereichen Print, TV, Radio und Online sowie Management vermittelt. Beim Master-Studium können sich Absolventen der Uni (z.B. vom Institut für Publizistik der Uni Wien) und der FH weiterbilden – Schwerpunkt: aktuelle Entwicklungen auf dem Medienmarkt, New Media.

Das Kuratorium für Journalistenausbildung hat jährlich mehr als 70 Kurse im Angebot – vom Schreibcoaching bis zum Moderationstraining –, dazu eine berufsbegleitende Basisausbildung für Quereinsteiger und junge Journalisten sowie ein Masterstudium New Media Journalism.

„Die Presse“ wird auch künftig eine Lehrredaktion veranstalten (Termin steht keiner fest). Von Mai bis August vergibt die Redaktion außerdem 16 Praktika an angehende Journalisten mit Migrationshintergrund. Bewerbungen bis 18.3. Infos unter: diepresse.com/unternehmen/jobs

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2013)

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