TV-Therapie: Auf der Suche nach dem verlorenen Ich

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TVTherapie Suche nach verlorenen(c) EPA (BODO MARKS)
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Für Christian Ulmen ist „About: Kate“ „kein nerdiges Experiment mit Medien“, sondern eher eine spielerische Reflexion über den Jetztzustand, ohne dabei Kritik am Internet zu üben.

Sie klappt den Laptop zu. Und gleich wieder auf. Starrt auf ihr Facebook-Profil. „Hier steht eigentlich alles über mich: Ich habe BWL und Kunst studiert, die Liebe ist kompliziert. Ich habe 428 Freunde. Meine Lieblingsserien sind The Wire, Mad Men, Breaking Bad.“ Das sind die Koordinaten einer durchschnittlichen 29-jährigen Großstädterin. Doch Kate Harff hat beim Anblick ihres digitalen Ichs den Überblick verloren. „Ich habe keine Ahnung, wer ich bin.“

Sie drückt also den Reset-Knopf. Lässt sich am Silvesterabend in eine Berliner Nervenklinik einweisen. Dort will sie dem Kreislauf des Likens, Sharens und Retweetens entfliehen und sich auf eine Reise zu sich selbst begeben. Wenn sie nicht gerade Therapiesitzungen mit Dr. Desmarin (gespielt von Burgschauspielerin Theres Affolter) besucht oder mit dem verrückten Pfleger Ingo (Patrick von Blume) Körbe flicht, klickt sie sich durch Videoclips, Fotoalben und virtuelle Pinnwände. Digitalfasten mit Laptop und Smartphone, ist das nicht ein Widerspruch? Durchaus, aber es lohnt sich, ihn gnädig zu ignorieren, dem speziellen Zugang der Serie zuliebe. „About Kate“ ist nämlich nicht gewöhnliche TV-Ware, eher multimediales Kunstprojekt. Als Antwort auf die zunehmende Nachfrage nach Second-Screen-Angeboten, also Apps oder Webseiten, die zusätzliche Inhalte zu einer Fernsehsendung anbieten, hat der Sender Arte eine Multimedia-Serie in Auftrag gegeben. Christian Ulmen und seine Produktionsfirma haben den Zuschlag bekommen.

So kann man Hauptfigur Kate Harff (glaubwürdig verstört gespielt von Natalia Belitski) auf Facebook folgen, und die eigens entwickelte About:Kate-App verbindet den Zuseher dank Geräuscherkennung auf seinem Smartphone mit der Serie. Etwas fragwürdig klingt der sogenannte Therapieraum, in dem man Fragebögen beantworten kann und eine Diagnose gestellt bekommt. Der Zuseher soll also zum Mitpatienten werden und sich ebenso über seinen Digitalkonsum Gedanken machen. Außerdem kann er die Serie sogar mitgestalten: Ab der dritten Folge werden Videos und Fotos, die Zuseher via App einsenden, eingebaut.

Ulmen: „Ich hatte nie sofort eine Meinung“

Für Christian Ulmen, dessen Geschäftspartnerin Jana Nandzik die Serie geschrieben und gedreht hat, ist „About:Kate“ „kein nerdiges Experiment mit Medien“, sondern eher eine spielerische Reflexion über den Jetztzustand, ohne dabei Kritik am Internet zu üben. So entsteht mit sanfter Satire und schrägen Dialogen ein Porträt der Generation Wireless. Ulmen beschreibt seinen Zugang zum Internet im Gespräch als „sehr ambivalent“. Er sei „passiv ein reger Nutzer“, steige aber nicht in Debatten ein. „Ich hatte nie sofort eine Meinung. Das war schon in der Schule so.“

Serie und Produzent

„About Kate“: ab morgen, Samstag, in 14 Folgen, Arte, 23.45h. Der Protagonistin Katherine Harff können die Zuseher auch auf Facebook oder auf der eigenen App About:Kate folgen.

Die Serie produziert hat Christian Ulmen. Der Schauspieler („Herr Lehmann“), Jg. 1975, betreibt seit 2008 eine Produktionsfirma. Seine Partnerin, Jana Nandzik, führte Regie und schrieb das Drehbuch zur Serie. [DPA-Zentralbild]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)

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