Liessmann: „Zeitung ist ein kuratierter Gesamtauftritt“

INTERVIEW MIT DEM PHILOSOPHEN KONRAD PAUL LIESSMANN
INTERVIEW MIT DEM PHILOSOPHEN KONRAD PAUL LIESSMANNAPA/GEORG HOCHMUTH
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Beim Tag des Qualitätsjournalismus wurde über die Finanzierung von Journalismus und die Zukunft der Zeitung diskutiert.

Ein Philosoph muss kommen, um den Verlegern in Erinnerung zu rufen, was – immer noch und immer mehr – die wahren Kompetenzen ihrer Zeitungen sind. Konrad Paul Liessmann eröffnete den Tag des Qualitätsjournalismus, zu dem der Verlegerverband VÖZ lud: „Zeitungen lese ich nicht wegen der Nachrichten, die es überall gibt, oder der Meinungen, die ich überall finde.“ Eine Qualitätszeitung sei heute vergleichbar mit einem kuratierten Gesamtauftritt, bei dem Nachrichten in einer ganz speziellen Form, bestenfalls mit einem ganz speziellen Stil aufbereitet werden. Er betonte dabei die Bedeutung der Redaktion als „in sich stimmiges System“ und mahnte: „Wer die Redaktion schwächt, verkleinert, einspart – der mag in einem ökonomischen Sinn sparen, der Sache nach geht das immer auf Kosten der Qualität. Es gibt keinen eingesparten Qualitätsjournalismus, das Einzige, was man einspart, ist die Qualität, danach bleibt etwas anderes übrig.“

Mit dieser Botschaft im Gepäck diskutierte eine Runde über die Zukunft von Paid Content. Verleger Eugen Russ meinte zwar, Österreich sei „noch eine Insel der Seligen“, mit Sorge blicke er aber auf internationale Märkte wie die USA. Ein mögliches Geschäftsmodell für ihn wäre, „dass die Leser mehr zahlen.“ Kommunikationswissenschaftler Josef Trappel betonte mit Hinblick auf Google, dass Werbung heute keinen Inhalt mehr brauche. „Solange Verleger in Qualitätsjournalismus investieren wollen und dafür das Geld verwenden, das sie woanders, etwa mit Jobportalen und Online-Wetten verdienen, ist es gut“.

Zeitungen: „So viel besser geworden“

Für „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak muss Qualität nicht automatisch mit Quantität zu tun haben: „Wenn ich heute hundert neue Redakteure bekommen würde, muss das nicht heißen, dass ich zwei Tage später ein hundert Prozent besseres Produkt mache.“ Ihm fehlte bei der Diskussion die Auseinandersetzung mit dem Handwerk. Er regte an, einen Preis ins Leben zu rufen, der nach Vorbild des deutschen Henri-Nannen-Preises das Handwerk der Journalisten auszeichnet. „Ein solcher Preis fehlt in Österreich.“ Mit dem Jammern aufhören wollte auch Thomas Götz, Leiter des Wien-Büros der „Kleinen Zeitung“. Er empfehle allen, die behaupten, im Journalismus würden heute Recherche und Qualität fehlen, „die Zeitungen vor zwanzig Jahren aus dem Archiv zu holen, abzustauben und zu lesen. Es ist so viel besser geworden.“

Österreich sei das siebenstärkste Zeitungsland, hatte VÖZ-Präsident Thomas Kralinger zu Beginn der Veranstaltung erklärt, gehöre bei der Printförderung aber zu den Schlusslichtern im europäischen Vergleich. Er appellierte also an die Politik, es möge auf das oft geäußerte Bekenntnis zur Förderung von inhaltlicher Vielfalt und journalistischer Qualität „endlich auch die Umsetzung“ folgen. awa

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2013)

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