„Hatufim“: Heimkehr ins „Homeland“ Israel

Bei der Bar-Mitzwa-Zeremonie: Onkel Uri und Nimrod sind plötzlich wieder da.
Bei der Bar-Mitzwa-Zeremonie: Onkel Uri und Nimrod sind plötzlich wieder da.(c) Arte/Vered Adir
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Zwei Israelis kehren nach 17 Jahren Kriegsgefangenschaft heim: Die Serie „Hatufim“ war Vorbild für den US-Erfolg „Homeland“. Doch sie ist realistischer und sensibler aufbereitet.

Guter Serienstoff ist rar. Den Eindruck gewinnt, wer sich die internationale Serienware ansieht: Immer wieder werden Stoffe aus Europa von US-Sendern übernommen – und umgekehrt. Dabei tritt das Original nicht selten hinter das Remake zurück, manchmal weiß man nicht einmal, dass die Geschichte bereits anders erzählt worden ist. So war das auch bei der israelischen Produktion „Hatufim“ (zu Deutsch: „Die Kriegsgefangenen“). 2010 lief sie in Israel, ein Jahr später wurde in den USA die darauf aufbauende CIA-Serie „Homeland“ zum Riesenerfolg. Erst jetzt entdeckt der europäische Markt das Original.

Im Mittelpunkt beider Serien stehen Kriegsgefangene. In „Homeland“ Sergeant Brody, der acht Jahre von Terroristen in Afghanistan gefangen gehalten wurde, in „Hatufim“ drei israelische Soldaten, die bei einem Einsatz im Libanon von der Hisbollah festgenommen wurden. Im Zuge eines Gefangenenaustauschs kommen zwei von ihnen nach 17 Jahren frei. In beiden Fällen sind es radikale terroristische und vor allem arabische Gruppen, die den Amerikaner bzw. die Israelis gefangen halten. Immerhin verschweigt die israelische Serie nicht, dass auch Israel auffällig gewordene Staatsfeinde gefangen hält. Während die Spannung in „Homeland“ von der Ungewissheit lebt, ob Sergeant Brody während seiner Gefangenschaft „umgedreht“ worden ist und nun als Terrorist heimkehrt, konzentriert sich „Hatufim“ auf die Folgen einer langen Gefangenschaft für die Opfer und ihre Familien. Als Mutter Talia ihre Kinder nach der Rückkehr ihres Vaters Nimrod fragt: „Glaubt ihr, es geht ihm gut?“, antwortet der Sohn: „Woher sollen wir das wissen? Wir kennen ihn ja nicht.“ Er wurde geboren, als sein Vater bereits gefangen war. Noch komplexer ist die Geschichte von Uri Zach: Seine Freundin Nuri hat während der 17-jährigen Gefangenschaft Uris Bruder Yaakov geheiratet und einen Sohn mit ihm. Doch sie soll Uri die Beziehung verschweigen, um ihn nicht völlig aus der Bahn zu werfen. Sehr starke Anleihen nahm „Homeland“ an den Szenen, in denen die Ehefrauen vorsichtig die Narben ihrer Männer betasten.

Geheimsprache mit Klopfzeichen

Der Rolle der CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes) aus „Homeland“ entspricht in „Hatufim“ am ehesten jene des rauen Militärpsychologen Haim Cohen. Er befragt die gebrochenen Heimkehrer nur 24 Stunden nach ihrer Rückkehr im Zuge eines „Debriefings“ peinlich genau über ihre Gefangenschaft. Ihm erzählen sie von den Folterkammern, in denen sie Stromschläge bekamen oder Schraubenzieher in den Oberarm gerammt – und von einem grausamen Spiel: Die Zellentür wurde offen gelassen, um den Gefangenen zu suggerieren, sie könnten fliehen. Doch außerhalb der Gefängnismauern wurden sie von maskierten Männern empfangen, die mit Platzpatronen auf sie feuerten. Uri und Nimrod müssen lernen, dass das israelische Militär primär daran interessiert ist, herauszufinden, ob die beiden an der Folter zerbrochen sind und welche Geheimnisse sie verraten haben. Auch deshalb klammern sie sich immer mehr aneinander, obwohl der Psychiater sie geschickt gegeneinander ausspielt. Sie werden schließlich – ähnlich wie Sergeant Brody in „Homeland“ von der CIA – vom Militär überwacht, weil sie einander in wichtigen Fragen widersprechen. Wenn sie aber allein in ihrem Zimmer sind, sprechen sie nicht miteinander, sondern verständigen sich mit Klopfzeichen.

„Hatufim“-Regisseur Gideon Raff war Berater der Produzenten von „Homeland“. Einen Unterschied beschrieb er amüsiert so: „Eine Folge von ,Hatufim‘ hat 200.000 Dollar gekostet, allein die Produktion des „Homeland“-Piloten war viermal so teuer.“ Trotz Parallelen unterscheiden sich die Serien in einem ganz elementar: „Homeland“ ist in erster Linie ein hochkomplexer CIA- und Spionagethriller. Der israelische Vorläufer verzichtet auf Actionelemente und bleibt dadurch viel realistischer. Hier werden keine Verschwörungstheorien und Terrorgeschichten erzählt, sondern von der schwierigen Rückkehr zweier Langzeitgefangener in den Alltag und dem Umgang Israels mit seinen Soldaten. Und das reicht eigentlich schon für eine spannende Geschichte.

Ab 9. 5. in Doppelfolge, 20.15 Uhr, Arte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

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