Nach der Verneigung zurück auf Papier

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Am 7.Dezember 2012 erschien die letzte Ausgabe der "Financial Times Deutschland". Sechs Monate später beginnt für einen Teil der Redaktion etwas Neues, das den Namen "Capital" trägt.

"Etwas hat überlebt.“ So stand es diese Woche auf der zuletzt etwas verwaisten Facebook-Seite der „Financial Times Deutschland“. Vor sechs Monaten waren dort deutlich weniger positive Töne zu lesen. Da beschloss der Hamburger Verlag Gruner+Jahr, die nach britischem Vorbild gegründete Wirtschaftszeitung einzustellen, das Blatt war in seinen zwölf Lebensjahren nie rentabel gewesen.

Mit einer tiefen Verneigung verabschiedete sich das Team der „FTD“ an deren letztem Erscheinungstag, dem 7.Dezember 2012, und entschuldigte sich „bei den Gesellschaftern, dass wir so viele Millionen verbrannt haben. Bei den Anzeigenkunden, dass wir so kritisch über eure Unternehmen berichtet haben. Bei den Politikern, dass wir euch so wenig geglaubt haben.“ Auf der Titelseite wurde aus der „Financial“ die „Final Times“, und auf dem schwarzen Fleck, der die Seite zierte, stand die selbstironische Schlagzeile: „Endlich schwarz“.

Weniger als sechs Monate später stehen die Zeichen zumindest für einige der ehemaligen „FTD“-ler wieder auf Neuanfang. „Ein Teil der Band spielt weiter“, schreiben sie auf Facebook. Das Stück, das sie spielen, heißt „Capital“ und ist am vergangenen Donnerstag erstmals in neuer Besetzung aufgeführt worden. Gruner+Jahr hat nicht nur die „FTD“ eingestellt, sondern sich auch von den Wirtschaftsmedien „Impulse“ und „Börse Online“ getrennt. Nur die 1962 gegründete Traditionsmarke „Capital“ blieb am Leben, sollte aber generalüberholt werden, da sie zuletzt Leser verlor. Neuer Chefredakteur wurde Horst von Buttlar, bislang Ressortleiter bei der „FTD“. „Es war, als hätte ich gerade eine Scheidung hinter mir und mich ganz schnell wieder verheiratet“, erzählt er. Doch für Trübsal blasen blieb keine Zeit. 18 Leute aus der ehemaligen „FTD“-Redaktion hat er von Hamburg und Frankfurt nach Berlin mitgenommen. „Dabei konnte ich sehr viele sehr gute Kollegen nicht mitnehmen.“ Seit Februar arbeitete das Team am Relaunch, während parallel dazu ein anderes Team bis Ende April bei doppelten Bezügen das alte Heft herausbrachte.


Wirtschafts-„Geo“. Die Kritik nahm das Heft durchaus wohlwollend auf. Das Monatsmagazin wirkt viel durchgestylter und durchdachter als bisher. Wirtschafts-„Geo“ nennen es die einen, „ein ,Neon‘ für Wirtschaftsreflektierte“, das die Lücke zwischen dem Wirtschaftsfeuilleton „Brandeins“ und der spröden „Wirtschaftswoche“ schließen könnte, schrieb Horizont Deutschland. Diese Einschätzungen treffen es ganz gut. Wie in fast allen Gruner+Jahr-Magazinen wird viel Wert auf hochwertige Fotos und Papier gelegt, und Chefredakteur von Buttlar sagt, man wolle Wirtschaft „nicht für Freaks und Experten“ machen, sondern für jeden. Der durchschnittliche „Capital“-Leser war bisher männlich, Ende 40 und Gutverdiener. „Jünger und weiblicher“ soll die Leserschaft jetzt werden. Das soll unter anderem mit weicheren Themen und Texten mit „Ich-Bezug“ gelingen.


Alles Leben ist Wirtschaft. Der Ansatz, dass alles Leben Wirtschaft sei, ist schon im ersten Heft erkennbar: Eines der vier Ressorts heißt „Leben“ und bietet Lifestyle-Geschichten und Kolumnen. Die anderen Ressorts lauten „Start“ (Kurzformate), „Welt der Wirtschaft“ mit Reportagen, Interviews und einer Diskussion („Ökonomisches Quartett“) und „Capital Invest“. In jeder Ausgabe lässt man die gegensätzlichen Wirtschaftstheoretiker John Maynard Keynes und Friedrich August Hayek für einen „Schlagabtausch“ auferstehen – diesmal zur Frage: Soll man Straßennamen verkaufen? Humor soll in der gedruckten Wirtschaftswelt auch nicht fehlen.

Ein Ersatz für die tägliche „FTD“ kann „Capital“ nicht sein, aber von Buttlar will etwas von „dem angelsächsischen Pragmatismus, den wir in der ,FTD‘ gelebt haben“ mitnehmen. „Wir denken in Lösungen, nicht in Dogmen.“ Die Haltung des Magazins ist liberal, nicht turbokapitalistisch – man möchte eben den Mainstream ansprechen, wie die Auflage von 160.000 Stück verrät. Nachsatz des Chefredakteurs: „Wir finden, dass die Marktwirtschaft immer noch das beste System ist.“

Das Magazin

Das Magazin „Capital“ trägt zwar den alten Namen, ist aber sonst rundumerneuert. Der neue Untertitel lautet: „Wirtschaft ist Leben“. Seit Donnerstag erhältlich (8,80 Euro gedruckt, 6,99 Euro in der App).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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