Die CD bleibt uns gut und teuer

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Das Ende des Aufnahmezeitalters proklamieren Kassandrarufe seit Langem. Doch bleiben Tonträger und DVDs wichtig, sie machen die beste Werbung für die Klassik.

Das „Ende der Schallplatte“, das „Ende der CD“, das „Ende des Tonträgermarktes“ – die regelmäßig wiederkehrenden Kassandrarufe betreffen das gesamte Repertoire, wobei die Klassik gegenüber Pop und sonstiger Unterhaltungskultur im Vorteil sei. Beethoven oder Strawinsky hole man sich weniger gern aus dem Internet als den gerade aktuellen Lieblingssong.

Dennoch: Der letzte Verkaufsboom für Barock, Klassik, Romantik und frühe Moderne konnte erzielt werden, als es gelang, die Menschheit dazu zu bewegen, von der Vinylschallplatte auf die digitalen Silberscheiben umzurüsten. Das war Mitte der Achtzigerjahre. Vielleicht hat jedes Medium seine drei Jahrzehnte, die Langspielplatte, die Compact Disk – und nun die Festplatte, auf der viele Musikfreunde bereits ihre Lieblingsaufnahmen speichern, um sie leichten Griffs jederzeit spielbereit abrufen zu können.

Die Spannweite dessen, was sich auf CD noch verkaufen lässt, scheint gering. Wenn Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann sich ins Studio begeben und danach im Fotostudio plakatgerecht für das Cover posieren, sind noch Umsatzzahlen garantiert, die für Produzenten wie Künstler eine feine Einnahmequelle bedeuten.

Werbung für den Opernbetrieb. Das Nämliche gilt, weil weniger Herstellungskosten anfallen, für Livemitschnitte von populären Ereignissen, zuvörderst des Wiener Neujahrskonzertes – wobei jegliche filmische Verwertung auf DVD mittlerweile als guter Werbeträger für den in bedeutenden Musikzentren durchaus funktionsfähigen, in Wien sogar boomenden Opern- und Konzertbetrieb fungiert.

Die Spekulation mit diesem Gedanken hat ein Haus wie die New Yorker Metropolitan Opera bewogen, regelmäßig Vorstellungen live in Kinos in aller Welt zu übertragen. Damit ist ein Tabu gebrochen. Bis vor Kurzem haben Häuser wie Londons Covent-Garden-Oper ihre Tondokumente gehütet wie Fafner den Nibelungenhort. Vor einiger Zeit haben die Briten nun beschlossen, ihr eigenes CD-Label zu gründen und nach und nach wichtige Tondokumente zugänglich zu machen.

Von historischer Relevanz. Gerüchteweise könnten dabei sogar für die Aufführungsgeschichte essentielle Dokumente ans Licht kommen. Der Rumor raunt beispielsweise von der Aufnahme einer vom Uraufführungsdirigenten Erich Kleiber 1948 geleiteten Vorstellung von Alban Bergs „Wozzeck“. Das wäre allerdings eine Sensation und würde sogar angesichts eines wenig populären Titels international für Aufsehen sorgen.

Enorme Stückzahlen garantiert anno 2013 freilich kaum ein CD-Projekt jenseits der Crossover-Szene – die im weitesten Sinne auch Künstler wie Patricia Petibon oder Anna Prohaska mit ihren Themen-CDs bedienten.

Noch in den Sechzigerjahren war es möglich, dass sich Herbert von Karajan mittels Schallplattenproduktion seine Osterfestspiele finanzierte. Schon damals ging das aber schief. Die Deutsche Grammophon hat die Kosten für die Gesamtaufnahme von Wagners „Ring“ bis heute nicht eingespielt. EMI blieb beim Tod des Maestros, 1989, gerüchteweise auf einem Fehlbetrag von umgerechnet 1,5 Millionen Euro sitzen, der als Vorschuss ausbezahlt worden war.

Kein Wunder, dass man schon 2005 das Ende für Studioaufnahmen proklamierte, als Plácido Domingo und Nina Stemme daran gingen, „Tristan und Isolde“ einzuspielen – Domingo hat seine Rolle nach anfänglicher Koketterie dann doch nie auf der Bühne gesungen. Hätte EMI nicht investiert, gäbe es seinen Tristan nicht. Der Rest ist Werbung für den Livebetrieb. Die Stemme beispielsweise singt die Isolde demnächst an der Staatsoper...

Musik- Industrie

7–8Prozent
des CD-Umsatzes macht die Industrie mit Klassikaufnahmen.

28Euro
kosteten die teuersten CDs umgerechnet bei der Einführung des Mediums um 1983.

115Millionen Tonträger
konnten von den fast 1000 Schallplattenaufnahmen insgesamt verkauft werden, die Herbert von Karajan eingespielt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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