Zwischen Rekordumsätzen und Krise

(c) EPA (THOMAS FREY)
  • Drucken

Millionenpreise, die für manche Fotografien und alte Kameras erzielt werden, sind nicht die Norm. Es gibt keinen Boom am Markt für klassische Fotografie. Manche vermuten sogar, die Preise könnten bald fallen.

Bemerkenswerte 76Prozent der Lose konnte Westlicht in Wien auf der 8.Fotografie-Auktion verkaufen und mit über zwei Millionen Euro einen neuen Rekord für die teuerste Leica-Kamera vermelden. Auch auf der heurigen 55.Biennale Venedig rückt die Fotografie in den Mittelpunkt, sind in der zentralen Ausstellung doch mehr Lichtbilder als je zuvor: akribische Bestandsaufnahmen der Welt. Stolze Preisrekorde sind ebenfalls zu melden: Satte 4,3 Millionen Dollar (rund 3,1 Mio. Euro) brachte Andreas Gurskys frühe Farbfotografie „RheinII“ (1999) in der Christie's Auktion 2011, nahe daran kam Cindy Sherman im selben Jahr mit ihrer Fotografie „Untitled#96“ (1981) für 3,89Millionen Dollar. Warum also ist immer häufiger zu hören, dass der Markt für Fotografie in die Krise geraten ist?

Zunächst einmal sind Millionenbeträge für Fotografie eine große Ausnahme. Wenige namhafte Fotografen mit möglichst bekannten Motiven erzielen solche Preise. Die meisten Lichtbilder dagegen liegen deutlich unterhalb von 4000Euro. Im deutschen Auktionshaus Van Ham gingen auf der „Photographie“-Auktion im Dezember 2012 von 484 Objekten nur 124 weg, davon 66 Objekte unter 1000 Euro. Von den 191 Losen in der heurigen Fotografie-Auktion des Wiener Dorotheums wurden nur 96 verkauft, auch hier ein großer Teil im unteren Preissegment; bei Westlicht kamen nur zehn von 226 Losen über 5000 Euro. Auch die Höhepunkte geben nur wenig Anlass zum Jubeln: Im Dorotheum erzielten drei Ordner mit über 7000 Fotos als Kontaktstreifen von Leni Riefenstahl 19.305 Euro; bei Van Ham brachten vier Vintages von László Moholy-Nagy 53.000 Euro; bei Westlicht fiel der Hammer bei 66.000 Euro für eine Irvin-Penn-Fotografie von 1949, knapp über dem Schätzpreis.

„Der Markt für klassische Fotografie ist nicht boomend“, stellt Martin Böhm vom Wiener Auktionshaus Dorotheum lakonisch fest. Monika Faber vom Wiener Foto-Institut Bonartes vermutet sogar, dass die Preise fallen. Denn was sich im Handel für Malerei schon länger abzeichnet, betrifft jetzt auch Fotografien: Hochwertige Werke kommen immer seltener in den Wiederverkauf, mittlere Werke erzielen geringe Preise.


Langfristige Wertsteigerung. „Qualität befindet sich in ruhigen Händen“, umschreibt Friedrich Kiradi vom Wiener Art Photography Fund die Situation, dass sich im Moment wenige von ihrem Besitz trennen. 1440 Fotografien umfasst dieser offene Fund, der zwar immer wieder einzelne Werke über Galerien als „Marktüberprüfung“ verkauft, aber eher auf langfristige Wertsteigerung setzt. Die meisten Werke stammen aus dem 19.Jahrhundert und der Klassischen Moderne, Spitzenarbeit des Fund: Edward Steichers Fotografie von Richard Strauss in New York von 1904, mit einem gegenwärtigen Kunstmarktpreis von 420.000 Euro.

Preiseinschätzungen in der Fotografie sind allerdings problematisch. Da es keine Unikate, sondern Drucke in oft hoher Auflage sind, entscheidet einzig die individuelle Qualität: der Entstehungszeitpunkt, aber auch das Material. „Oft wurden fünf verschiedene Papiere ausprobiert und bis zu vierzig Abzüge gemacht, bis ein gelungenes Foto entstand“, erklärt Faber. Auch ihr Schwerpunkt liegt in der historischen Fotografie, die sie selten auf Auktionen kauft, sondern aus Nachlässen und Privatsammlungen, meist als größeres Konvolut und nicht als einzelnes Bild – zu „Forschungszwecken, nicht zur Wertsteigerung“, so Faber.


In Europa dominant: Kunstfotografie. „Große Fotografiesammlungen sind anders als in den USA in Europa eher die Ausnahme“, erklärt Böhm einen weiteren Grund für die verhaltenen Preise. Hier dominiert das Interesse an der repräsentativeren Kunstfotografie, manipulierten und inszenierten Lichtbildern, z. B. von Gursky und Sherman. In dem Segment gelten andere Kriterien. Hier zählen keine Vintages (signierte, datierte Originalabzüge, die unmittelbar nach Entstehung des Negativs vom Fotografen selbst hergestellt wurden). Hier entscheiden möglichst niedrige Auflage und möglichst großes Format. Die beiden kleinen Cindy Shermans, die bei Westlicht im Mai angeboten wurden, entsprechen diesen Kriterien nicht – und so konnte die Sammlung Verbund beide unter dem Schätzwert für je 1020Euro ersteigern. „Sherman fertigt immer wieder Werke in hohen Auflagen mit oft grimmigen Gestalten für Wohltätigkeitsveranstaltungen an“, sagt Sammlungsdirektorin Gabriele Schorr. Ihre Sammlung umfasst zu 80Prozent Fotografie, denn ihr Schwerpunkt liegt auf Werken seit den 1970er-Jahren mit feministischen Inhalten. „Damals war die Malerei männlich und die Fotografie für die Frauen ein neues, offenes Medium, ein Mittel der Befreiung.“ Diese Werke gelangen meist nicht in die Fotografie-, sondern in die Kunstauktionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.