Serienkritik

„Borgen“: Verspätete Landung der weltbesten Serie

(c) ORF (Mike Koll�ffel)
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Der Blick auf den Alltag der ersten dänischen Premierministerin in „Borgen“ ist kluges öffentlich-rechtliches Fernsehen aus Skandinavien. Der ORF zeigt die Meisterserie spät, denn treue Fans warten bereits auf die finale dritte Staffel.

Adam Price hat auf die Höflichkeit der Nachbarländer gesetzt. Nicht mehr und nicht weniger. Schweden und Finnland würden sich vermutlich für die neue Serie des dänischen öffentlich-rechtlichen Senders DR interessieren, dachte er – und irrte sich: Schon in Dänemark wurde „Borgen“ – so bezeichnen die Dänen Schloss Christiansborg, den dänischen Regierungssitz – zum Überraschungserfolg mit Rekordquoten, die der „Tatort“ im deutschsprachigen Raum nicht immer erreicht. Am Sonntagabend saßen im Schnitt 1,5Millionen Dänen vor den Bildschirmen. Eine beachtliche Zahl für ein Land mit 5,5 Millionen Einwohnern.

Längst gilt „Borgen“ als europäisches Serienwunderkind, das in 70Länder verkauft wurde. „Das hätten wir uns nie träumen lassen“, sagt Autor Adam Price. Der Erfolg ist auch deshalb beachtlich, weil er ein öffentlich-rechtlicher ist. Die Dänen zahlen beinahe genauso viel Rundfunkgebühr wie die Österreicher; weil das Land kleiner ist, nimmt der dänische Rundfunk aber nur 470 Millionen Euro im Jahr ein. (Zum Vergleich: Der ORF bekommt mehr als 600 Millionen Gebühren.) Trotzdem gelingt ihm eine so intelligente wie spannende Politserie. Schon die Krimireihe „The Killing“ (zu Deutsch: „Kommissarin Lund“) wurde zum globalen Hit, den die Amerikaner kopierten. Hochgelobt wurde auch die dänisch-schwedische Produktion „Die Brücke“, gemeint ist die Öresund-Brücke, die die beiden Länder bei Malmö und Kopenhagen verbindet. Das ZDF dürfte diesen Trend erkannt haben, der Programmdirektor kündigt dieser Tage an, dass man neben einem neuen Eigenkrimi mit Anna Loos und der US-Kultserie „Breaking Bad“ vor allem skandinavische Serien zeigen wolle.

Doppelt spät. Dagegen ist der ORF mit „Borgen“ reichlich spät dran – und zwar im doppelten Sinn: Während die Serie in Dänemark zu Ende ist und deutschsprachige Fans nur darauf warten, dass Arte im Herbst die finale dritte Staffel zeigt, füllt der ORF das Sommerloch am Sonntagabend mit der ersten Staffel. Zwar jeweils mit einer Doppelfolge, aber beschämend spät um 22.50 Uhr.

Im Zentrum von „Borgen“ steht die erste dänische Premierministerin Birgitte Nyborg, Vorsitzende der fiktiven Partei der Moderaten (hervorragend gespielt von Komödiantin Sidse Babett Knudsen). Eine reine Politserie, noch dazu eine, die das politische System ziemlich realistisch zwischen Wahlkampf, Ausländerpolitik, Frauenquoten und Friedensvermittlungen zeigt, die Figuren dabei aber nicht so diabolisch überzeichnet wie die US-Serie „House of Cards“ – das war selbst für den dänischen Rundfunk ein Wagnis. „Wir hatten bis dahin nur Erfolg mit Kriminalgeschichten“, erzählt Adam Price, der aus einer berühmten Schauspielerfamilie stammt und selbst als Fernsehkoch und Restaurantbesitzer bekannt wurde, bevor er „Borgen“ schrieb.

Warum er mit Birgitte Nyborg eine Frau zur Hauptfigur machte – und damit die Realität vorwegnahm (ein Jahr später bekam Dänemark mit der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt tatsächlich eine Staatschefin)? „Ich dachte mir, es wäre besonders schmerzhaft, einer Frau dabei zuzusehen, wie sie Familie, Ehe und ihre eigenen Ambitionen für dieses Amt aufgeben muss.“ Kein „feministischer Magic-Life-Club“ also, wie „Profil“ das Serien-Dänemark umschreibt? Nicht ganz. Dass die Ehe der Premierministerin in Staffel eins scheitert, die halbwüchsige Tochter in Staffel zwei psychisch krank wird, soll zeigen, wie hart der politische Alltag sein kann. Der Unterschied: In „Borgen“ bekommt eine Frau die Chance auf die erste Position im Staat.

Den Erfolg der Serie schreibt Produzentin Camilla Hammerich, die sechs Jahre daran gearbeitet hat, auch den „vielschichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen“ zu. So ist Nyborgs Berater Kasper Juul mit der zweiten weiblichen Hauptfigur, der furchtlosen TV-Journalistin Katrine Fonsmark liiert. Das führt zum eigentlichen Kernthema der Serie, dem Spannungsverhältnis zwischen Medien und Politik. Die Frage, wie weit private Verhältnisse zwischen Politikern und Journalisten gehen dürfen, könnte gerade für das traditionell verhaberte Österreich Denkanstöße geben. Was den Erfolg der Serie neben den starken Charakteren, die offenbar global anerkannt werden, ausmacht, sagt Autor Price: „Der dänische Rundfunk ließ uns einfach machen. Sie haben uns nicht dreingeredet.“

Die Macher der Serie »Borgen«

Adam Price (*1967) ist ein berühmter dänischer Fernsehkoch, Restaurantbesitzer und Drehbuchautor der Serie „Borgen – Gefährliche Seilschaften“.

Camilla Hammerich(*1963) war im dänischen Sender DR Produzentin von „Borgen“. Jetzt macht sie eine Auszeit und schreibt ein Buch über die Serie.

„Borgen“ ist ab heute, Sonntag, in Doppelfolge zu sehen (22.50h, ORF2). Arte bringt im Herbst die finale dritte Staffel der Serie rund um die erste dänische Premierministerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2013)

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