"George": Blind im Schauspielwahn

George Blind Schauspielwahn
George Blind Schauspielwahn(c) SWR/Thomas Kost
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Götz George spielt in dem Doku-Drama "George" seinen Vater, den Volksschauspieler Heinrich George, der für die Nazis spielte. Das hat Längen, ist in Summe aber eine berührende, großteils objektive Annäherung.

Es gibt diesen einen Satz von NS-Reichsminister Joseph Goebbels: „Es ist einfacher, aus einem großen Künstler einen Nationalsozialisten zu machen als aus Nationalsozialisten große Künstler.“ Zweimal fällt er in dem Zweistunden-Dokudrama „George“ – und er lässt sich gleichermaßen als Bekenntnis wie als Rechtfertigung verstehen. War Heinrich George irgendwann Nazi aus Überzeugung oder hat er den reichstreuen Volkshelden nur gespielt? Seine Söhne Götz, der bekannte Schauspieler, und Jan, der weniger bekannte Dokumentarfilmer, wollten das mit Regisseur Joachim A. Lang ergründen.

Just zum 75er von Götz George am 23.Juli wird man also den Sohn seinen Vater spielen sehen. Der Sohn wollte zuerst beides nicht, den Film und den Sendetermin. Angeblich hat der Regisseur ihn zehn Jahre lange zur Mitwirkung überreden müssen. Dass ARD und Arte das Dokudrama, in dem sich Spielszenen, Archivbilder und Interviews abwechseln, nun im Hochsommer (die ARD sogar beschämend spät um 21.45 Uhr) ausstrahlen, hat Götz George sehr gekränkt, wie er in einigen Interviews erklärte. Er hätte den Film lieber Anfang Oktober zum Geburtstag seines Vaters, er wäre 120 geworden, und im Hauptabend gesehen.

Heinrich George war beliebter und beleibter Volksschauspieler, verheiratet mit der Schauspielerin Berta Drews; schon in der Weimarer Republik ein genialer Theaterkünstler, der in manchen Szenen vor allem wegen seiner Leibesfülle an den um einiges jüngeren österreichischen Kollegen Helmut Qualtinger erinnert. Doch früh fanden die Nazis Gefallen an ihm. „Hitler schätzt Sie“, heißt es im Dokudrama "George".

Besuch in Wien. Immerhin, der Film verschweigt die Fakten nicht. Dass George in Propagandastreifen wie „Jud Süß“ und „Kolberg“ mitspielte, lässt sich nicht wegreden. Oder dass er bei der Eröffnung des umgebauten Berliner Schiller Theaters, dessen Intendant er unter den Nazis  wurde, auch Hitler lobend erwähnte. Genauso wenig, dass er vor laufender Kamera sagte: „Das Reich und der Führer haben uns die Schwierigkeiten eigentlich weggeräumt, die es einmal gab. Heute ist ein Bett vorbereitet, das bequem gemacht ist.“ Auch dass George einer der ersten deutschen Künstler war, der 1938 nach Österreichs Anschluss an Hitler-Deutschland nach Wien kam, um gute Stimmung für den Führer zu machen, wird erwähnt. Und dass die Wiener den Wagen, in dem er saß, küssten.

Allerdings war George offensichtlich kein Antisemit oder Verfechter von Rassenthesen. An seinem Schiller Theater engagierte er auch Kommunisten und Juden, setzte bei den Behörden durch, dass sein Freund Bobby Müller den Judenstern nicht mehr tragen musste. Seine Auftritte in den Propagandafilmen rechtfertigte er später vor den Beamten des sowjetischen Geheimdienstes, die ihn nach Kriegsende 1945 vernahmen, so: „Den Bösen gut zu spielen, das ist eine Herausforderung für den Schauspieler.“

So kommt sie immer wieder, die Ausrede für seine Taten: Alles, was er wollte, war zu spielen. Auch in den Straflagern Hohenschönhausen und Schönhausen, in das ihn die Sowjets sperren, klammert er sich ans Theater. Er versammelt talentierte Mitgefangene um sich, inszeniert den „Faust“ mit ihnen, lernt später mit Mühe Russisch, um die Offiziere in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Dieser stämmige und schlaue Mann wollte bis zuletzt in seinem Spielwahn die Schattenseiten des totalitären Regimes nicht sehen.

Kompromisse. Auch die Söhne sprechen auffallend oft von „Kompromissen“, die der Vater einging. Der ältere Sohn Jan meint in einer Szene: „Wieso hat er mitgespielt? Vielleicht wollte er uns schützen? Vielleicht wollte er seinen Job behalten?“ Als ungerecht empfinden es die Söhne bis heute, dass der Vater (der 1998 von den Russen rehabilitiert wurde) als Einziger in Strafhaft kam, dabei hätte es so viele Künstler gegeben, die sich mit den Nazis arrangiert hatten.

Ein besonderes Verhältnis pflegte vor allem Götz George zum Vater. Nicht nur, weil er hieß wie Georges Lebensrolle Götz von Berlichingen, sondern auch, weil er ihn besonders bevorzugte. Auf dem Sterbebett im Straflager soll sein letztes Wort „Götz“ gewesen sein. Die Liebe des Vaters verstand Götz George als Auftrag, darum trat er beruflich in dessen Fußstapfen. Aber auch im Film gesteht er, dass er immer noch glaubt, der Vater sei „halt besser, besessener“ beim Schauspielen gewesen als er. Wohin ihn die Besessenheit gebracht hat, zeigt der Film recht anschaulich. Die Söhne scheinen am Ende trotzdem nicht mit der zwiespältigen Lebensrolle des Vaters klarzukommen.

„George“, Arte, Mo, 20.15 Uhr; ARD, Mi, 21.45h. Neu aufgelegt wurde Berta Drews: „Mein Mann Heinrich George“ (LangenMüller, 2013)

George Blind Schauspielwahn
George Blind Schauspielwahn(c) SWR/Jan George Privatarchiv

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2013)

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