Wer Edward Snowden in Wien landen ließ

Edward Snowden Wien landen
Edward Snowden Wien landen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Seit Kurzem narrt "Die Tagespresse" die Öffentlichkeit im Internet mit Scherznachrichten. Wer steckt hinter der Satirezeitung?

Schon die kleinsten Ereignisse können ein Erfolg sein. Nur wenige Stunden, nachdem Fritz Jergitsch den Artikel „Edward Snowden in Wien gelandet“ auf seinem Blog veröffentlicht hatte, verfasste Außenamtssprecher Alexander Schallenberg folgenden Tweet: „After repeated inquiries from international media: This is a hoax! Edward Snowden is NOT in Vienna – at least not yet... ;)“ Für Fritz Jergitsch war das so, „als würde das eigene Baby laufen lernen“. Sein Baby, die Webseite dietagespresse.com, war da knapp einen Monat alt, also noch längst nicht im Lauflernalter.

Seit Ende Mai verfasst er Satirenachrichten auf seiner Seite; und bei über 6000 Fans auf Facebook und Artikeln, die bis zu 300.000 Mal angeklickt wurden, was schon einmal die Seite zusammenbrechen ließ, kann man zumindest sagen: Der satirische Versuchsballon hat erste Flughöhe erreicht. Fritz Jergitsch ist 22, Sohn einer Sozialarbeiterin und eines Rechtsanwalts, kommt aus Wien, ist aber erst seit Kurzem wieder in der Stadt, da er drei Jahre in Holland den Bachelor in Volkswirtschaft gemacht hat. Weiterstudieren will er vielleicht, zunächst möchte er aber „einmal arbeiten“. Im August volontiert er bei der Industriellenvereinigung, danach zieht es ihn in die PR, der Lust am Texten wegen.


Mit Känguru Keuschi gegen Sex? Weil ihm Freunde rieten, seine an sie verschickten satirischen Texte in einem Blog zu veröffentlichen, kam ihm die Idee mit der „Tagespresse“, die er ganz allein betreut. Und nein, komödiantisch oder satirisch familiär vorbelastet ist er nicht. Dafür aber Fan der Satirezeitungen „The Onion“ (USA) und „Postillon“ (Deutschland), darum wollte er, dass sein Blog so seriös wie eine Nachrichtenseite wirkt. Auch, weil Satire, wie er sagt, „immer mit der Realität spielen sollte“. Dagegen war der Grund für den Namen beinahe banal: „Die Domain tagespresse.com war noch frei.“

Die Geschichte über Edward Snowden, der sich nach Wien absetzt, weil er mit der Trägheit der österreichischen Justiz rechnet, war die erste Meldung, die ihm mehr als 100.000 Links und ein bisschen Aufmerksamkeit brachte. Ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt war da erkennbar: Nur eine Woche später landete Boliviens Präsident Evo Morales in Schwechat, an Bord seines Flugzeug wurde Snowden vermutet. Die bisher meistgelesene Geschichte folgte Mitte Juli: jene über die vermeintliche Enthaltsamkeitskampagne von Kardinal Christoph Schönborn mit Känguru Keuschi als Maskottchen. Jergitsch weiß offenbar, warum gerade diese so viele Leser fand: „Die Meldung war zwar absurd, dennoch würde man diese Aktion der katholischen Kirche irgendwie zutrauen.“


„Soko Kitzbühel“ eingestellt? Das Mittel der Übertreibung ist eines von drei satirischen Formen, derer er sich bedient. Bei der Snowden-Meldung wiederum war es die Verbindung von zwei völlig unterschiedlichen Themen (der Flucht des NSA-Aufdeckers und der Trägheit des österreichischen Justizapparats), die überraschte. Und manchmal funktioniert Satire auch so simpel wie ein Witz: Eine der jüngsten Meldungen der „Tagespresse“ spielt mit den Mordfällen einer ORF-Krimiserie: „Alle Einwohner schon ermordet: ,Soko Kitzbühel‘ wird eingestellt“, lautet der Titel.

Fritz Jergitsch ist ein selbstbewusster junger Mann. Dass er Karl Kraus, als Herausgeber der „Fackel“ einer der wichtigsten Vertreter der publizistischen Satire, nicht kennt, ist ihm nicht einmal unangenehm. Offen plaudert er auch über kleine Anfangspannen: Rechtschreibfehler zum Beispiel. Oder dass er in der Snowden-Meldung Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zur Justizministerin machte. Die meisten Texte lässt er von seiner Schwester oder Mutter gegenlesen, manches geht aber auch ohne Gegenlesen online, was man einigen Texten durchaus anmerkt.

Der 22-jährige Volkswirt fühlt sich zu keinem politischen Lager hingezogen, will alle Parteien gleich behandeln. Er sei ebenso „gegen soziale Ungleichheit wie gegen den Systemproporz“. Im Volkswirtschaftsstudium sei er jedenfalls nach der Lehre von John Maynard Keynes erzogen worden, der die ordnende Hand des Staates forderte. Vorgenommen habe er sich, „über die da oben zu schreiben, nicht über die da unten“. Ein No-go seien Geschichten über Katastrophen; wenn er doch über Ereignisse wie das jüngste Hochwasser berichtet, dann nur über den Umgang der Politik damit, nicht über die Betroffenen.


Armin Wolf bei „Moneymaker“? Seine Ideen holt sich Jergitsch vorrangig durch die Lektüre von Tageszeitungen. Die könnten durchaus mehr satirische Elemente vertragen, findet er. „Aber in Österreich tritt man anderen nicht so gern auf die Füße.“ Auch die Nachrichten im Fernsehen liefern ihm Futter für seine Texte. Und überhaupt: „Der ORF gibt der Satire den Stellenwert, den sie verdient.“ Er meint damit die „Dienstag Nacht“ und die Sendung „Willkommen Österreich“. Seine Satire macht trotzdem nicht vor dem ORF halt: In einer der ersten Meldungen schrieb er, dass „ZiB“-Moderator Armin Wolf Anchor der Spielshow „Moneymaker“ werde.

Die steigende Bekanntheit des Blogs will Jergitsch an zwei Dingen erkennen: an seinem Konto und den Reaktionen. Die Klickzahlen sind so hoch, dass er (dank Google) etwas Geld verdient – gerade so viel, dass er den Server bezahlen kann, den er sich besorgt hat. Verändert haben sich die Reaktionen: Gab es zunächst viele, die seine Meldungen glaubten (beim Snowden-Text vor allem ausländische Journalisten), kommt das immer seltener vor, seit sich herumspricht, dass es Satire ist. Nur die Sache mit dem katholischen Känguru Keuschi, die nahmen ihm viele ab.

Die Tagespresse

Die Webseite dietagespresse.com ging am 29. Mai online. Mehrmals pro Woche werden dort satirische Meldungen veröffentlicht – wie jene, dass der NSA-Aufdecker Edward Snowden in Wien gelandet ist oder die Serie „Soko Kitzbühel“ eingestellt wird, weil alle Einwohner ermordet wurden. Die Seite betreibt der 22-jährige Wiener Volkswirt Fritz Jergitsch,

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.