Bezos: Der Maschinenstürmer träumt vom ewigen Ruhm

Bezos: Der Maschinenstürmer träumt vom ewigen Ruhm
Bezos: Der Maschinenstürmer träumt vom ewigen Ruhm(c) EPA (VICTORIA BONN-MEUSER)
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Jeffrey P. Bezos hat mit seinem Versandhandelskonzern Amazon binnen weniger als zwei Jahrzehnten das Verlagswesen von den Beinen auf den Kopf gestellt. Papier hält er für ein Auslaufprodukt, von Gewerkschaften hält er wenig, von Denkmälern für die Ewigkeit umso mehr.

Tief in einem Berg im Westen von Texas keimt ein sonderbares Unterfangen. Eine Uhr von riesigen Ausmaßen, fast 70 Meter groß, soll dort für mindestens 10.000 Jahre die Zeit vermessen. Jedes Jahr, jedes Jahrzehnt, jedes Jahrhundert, jedes Jahrtausend soll dieser Chronometer mit einer Tonfolge markieren, die an Kuckucksuhren erinnert. 42 Millionen Dollar hat Jeffrey P. Bezos in dieses Projekt investiert; noch tickt die Uhr nicht der Ewigkeit entgegegen. „Der Grund, weshalb ich das tue, ist, weil das ein Symbol für langfristiges Denken ist und für die Idee langfristiger Verantwortung“, sagte Bezos vor zwei Jahren.

Geduld, gepaart mit Mut und einer gewissen Rücksichtslosigkeit prägen den unternehmerischen Aufstieg des 1964 in der Stadt Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico geborenen Bezos. Seinen leiblichen Vater lernte er nie kennen; eine bemerkenswerte Parallele zu dem anderen großen digitalen Neuerer und Ikonoklasten, dem verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs (der allerdings bewusst nichts von seinem biologischen Vater wissen wollte).

Bezos nahm den Namen seines Stiefvaters an, schloss als Klassenbester die Highschool ab und erhielt in Princeton seinen Abschluss in Computerwissenschaften; summa cum laude, versteht sich. Während seiner Zeit beim New Yorker Hedgefonds D.E. Shaw erkannte Bezos, dass sich kaum ein Produkt so einfach über das Internet verkaufen lassen müsste wie das Buch.

Computer für die CIA

Bezos verließ Manhattan, zog in den Bundesstaat Washington und eröffnete 1994 in seiner Garage den Buchversandhandel Amazon. Ein Jahr später ging amazon.com online, und schnell war Bezos klar: Auf diese Weise lassen sich nicht nur Bücher verkaufen. Sondern auch Musik, Möbel, Bohrmaschinen, Fruchtsäfte, Musikinstrumente. Die digitale Revolution ermöglichte es Versandhändlern, alles über ihre Kunden zu erfahren: und zwar ohne teure, weil gut ausgebildete Verkäufer. Der österreichische Rechtswissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger beschreibt in seinem Buch „Big Data“, wie Amazon seine Mannschaft von bibliophilen Buchrezensenten mit einem Schlag auflöste, als er erkannte, dass kühle Algorhythmen den Käufern mehr neue Bücher andrehen können. Der Rest ist bezeichnend für die Geschichte des postindustriellen Kapitalismus. Amazon schrieb jahrelang Verluste, doch Bezos blieb hartnäckig. Mehr als 60 Milliarden Dollar Jahresumsatz fuhr der börsenotierte Konzern zuletzt ein. Das vor allem wegen des knallhart durchkalkulierten Logistiksystems: in den Lagerhallen gab es lange Zeit keine Klimaanlagen. Dafür warteten Rettungsautos vor ihren Toren auf kollabierte Arbeiter.

Der Streit mit den deutschen Gewerkschaften in jüngster Vergangenheit ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist die Nähe, die Amazon als Anbieter exzellenter Cloud-Computing-Server zum US-Geheimdienst CIA sucht: mit IBM rangelt Bezos' Firma um einen 600-Millionen-Dollar-IT-Auftrag.

Bezos liest täglich die „Washington Post“, die „New York Times“ und das „Wall Street Journal“: auf dem Kindle, nicht auf Papier. „Gedruckte Tageszeitungen werden in 20 Jahren nicht mehr normal sein“, sagte er voriges Jahr zur „Berliner Zeitung“. 10.000-jährige Uhren hingegen schon. go

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2013)

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