"Washington Post": Herr Bezos und die CIA

Washington Post Herr Bezos
Washington Post Herr Bezos(c) EPA (JIM LO SCALZO)
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Der neue Besitzer der "Washington Post" warnt seine Journalisten davor, fad zu sein. Über seine Geschäfte mit den Geheimdiensten will er nicht reden.

Der neue Chef kam gut gelaunt und tief gebräunt in die Redaktion, und er hatte einen Sack voller Ratschläge dabei.

„Die Regel Nummer eins muss sein: Sei nicht fad“, erklärte Jeffrey Bezos, Gründer und Chef des Internet-Versandhauses Amazon und seit Neuestem Eigentümer der „Washington Post“, am Mittwoch im Gespräch mit seinen Journalisten. „Bezosismen“ nannten die „Post“-Journalisten diese aphoristischen Management-Thesen. „Jammern ist keine Strategie“, lautete eine andere. „Wir sind nicht mehr in den 1980er-Jahren.“ Oder, frei von Ironie: „Man sollte Zeitungen ebenso einfach kaufen können wie Windeln.“ Und, angesichts der alternden Leserschaft der „Post“ besonders pikant: „Alle Unternehmen müssen für immer jung bleiben. Wenn Ihre Kundenbasis mit Ihnen altert, sind Sie Woolworths.“

Das saß. Welcher Journalist mit einem Funken an Selbstachtung will schon mit der Kaufhauskette verglichen werden, die erst den amerikanischen Einzelhandel revolutionierte, dann aber den Wandel verschlief und 1997 unsanft entschlief? Bezos bemühte sich allerdings fast im selben Atemzug, der Redaktion der schwer defizitären Zeitung Hoffnung zu machen. „Es ist wichtig für die ,Post‘, nicht nur zu überleben, sondern zu wachsen. Ihr Produkt ist noch immer großartig.“ Zum Beweis seiner Verehrung nannte Bezos jene beiden „Post“-Geschichten, die ihm in der vergangenen Woche am besten gefallen hätten: ein Nachruf auf den Türsteher eines Washingtoner Rockclubs und das Frage-Antwort-Stück „Neun Fragen über Syrien, die Ihnen zu peinlich waren“. Bezos versprach, über den Kaufpreis von 250 Millionen Dollar (190 Millionen Euro) hinaus in die Zeitung investieren zu wollen und sah ein „neues goldenes Zeitalter“ für das 1877 gegründete Blatt heranbrechen. Die „Post“ sei „berühmt für ihren investigativen Journalismus“, und ihre Reporter sollten „sich frei fühlen, über Amazon und Jeff Bezos so zu berichten, wie sie wollten.“


Arbeit für die Datenspione. Doch wenn die Journalisten das tun, wozu Bezos sie auffordert, wird er schlagartig ziemlich wortkarg. Seit Monaten streiten Bezos' Firma Amazon und der IT-Konzern IBM darum, wer einen 600 Millionen Dollar schweren Auftrag der CIA bekommen soll, Datenbanken für den Geheimdienst zu verwalten. Amazon ist in der Domäne des „Cloud Computing“ ganz weit vorne; zahlreiche Unternehmen und Behörden nutzen diese neue Technologie, um ihre Daten kostengünstig auf zahllosen dezentralen Rechnern zu verwalten. IBM hatte die Entscheidung der CIA, den Auftrag an Amazon zu vergeben, vor Gericht angefochten. Wer diesen Streit gewinnt, hat einen Fuß in der Türangel zum milliardenschweren Markt des Datenmanagements für Amerikas Sicherheitsdienste. Amazon ist ziemlich sicher, die Oberhand zu behalten; nur einen Tag vor Bezos' Besuch in der Redaktion der „Washington Post“ berichtete „Computer World“, dass Amazon mehr als 100 Stellen für Leute mit der höchsten geheimdienstlichen Sicherheitsfreigabe ausgeschrieben hat: Diese „Security Clearance“ schließt einen von US-Regierungsbeamten vollzogenen Lügendetektor-Test ein. Am 24. und 25. September lädt Amazon streng ausgesuchte IT-Ingenieure zu einer Veranstaltung in seine Niederlassung in Herndon, Virginia, ein.

Darf man den neuen Chef fragen, ob das nicht ein bisschen problematisch ist – von wegen Interessenkonflikt, NSA-Spionageskandal und Verfolgung von journalistischen Aufdeckern durch die US-Regierung? Andrea Peterson, eine junge Technologie-Reporterin traute sich, Bezos nach dem CIA-Geschäft zu fragen. So antwortete er: „Hätte man vor zwei Jahren gesagt, dass Amazon und IBM um einen CIA-Vertrag streiten würden, wären die Leute erstaunt gewesen. Was unser Team in der Zwischenzeit geschafft hat, ist bemerkenswert. Ihr Produkt ist allen anderen weit voraus.“

Keine Antwort ist auch eine Antwort. Peterson bekam keine Gelegenheit nachzuhaken, unkte aber später: „So viel ich weiß, bin ich noch immer bei der Washington Post angestellt.“ Wie drückte es Bezos selber aus? „Die mächtigsten Geister können die mächtigsten Inkonsistenzen aushalten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

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