Schweighofer: "Der ORF agiert wie ein Privater"

Klaus Schweighofer
Klaus Schweighofer(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
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Klaus Schweighofer fordert im Namen der Privatsender von einer neuen Regierung 30 Millionen Euro – und das definitive Ende der ORF-Gebührenrefundierung. Ein Presse-Interview.

Die Presse: Der Privatsenderverband hat einige Wünsche an eine neue Regierung formuliert. Steht es den Privatsendern überhaupt zu, Wünsche zu äußern?

Klaus Schweighofer: Natürlich. Wir repräsentieren mehr als zwei Millionen Hörer und mehr als 3,7 Millionen Seher und sind ein ganz wesentlicher Faktor im österreichischen Mediensystem. Ein System, das nach wie vor ungleich ist. Der ORF erhält rund 600 Millionen aus Gebühren und weitere 300 Millionen aus dem Werbemarkt. Zum Vergleich: Der gesamte Privatsendermarkt erwirtschaftet jährlich 300 Millionen netto. Daraus folgt, dass sich der ORF den Großteil der wesentlichen Erstausstrahlungsrechte der Filme und Serien sichern kann. Und er kann es sich auch leisten, 18 Millionen Euro in Eigenwerbung zu stecken, die unnötig ist.

Soll man ORF-Eigenwerbung verbieten?

Ja, wir glauben, dass reine Imagewerbung im ORF-Gesetz verboten werden sollte. Nicht aber Werbung für Programm und Inhalte.

Zur Zeit häufen sich die rundfunkrechtlichen Verfahren gegen den ORF. Ist das nicht Korrektiv genug im Rundfunkmarkt?

Wir glauben, dass das duale System, also das Nebeneinander von Öffentlich-Rechtlichem und privaten Sendern, nicht in Balance ist. Der ORF ist öffentlich-rechtlich, agiert aber wie ein Privater. Die Medienbehörde hat das für ORF eins bereits festgestellt. Wir werden das auch im Radioprogramm zeigen mit der Beschwerde, die wir gerade unter Federführung von Kronehit bei der KommAustria eingebracht haben. Der Werbedruck, der auf dem ORF lastet, zwingt ihn im Programm zu Dingen, die einem Öffentlich-rechtlichen nicht zu Gesicht stehen. Selbst Regisseur David Schalko sagt, der ORF bewege sich an der Kante des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Wir glauben, dass er sich deutlich darüber bewegt. Das ist schade, weil sehr viel Geld da ist, das zum Teil für Dinge verwendet wird, die nicht in seinem Kernauftrag liegen.

Was soll sich für die Privatsender ändern?

Erstens soll es eine größere Bestandssicherheit für Radiolizenzen geben. Das heißt, es sollte im Verfahren für eine Neubewerbung nach zehn Jahren eine Rolle spielen, ob jemand gut und wirtschaftlich erfolgreich eine Lizenz betrieben hat. Zweitens soll es möglich sein, dass mehrere Sender aus einem gemeinsamen Funkhaus senden dürfen, gemeinsam Infrastruktur betreiben, dabei aber unabhängig bleiben. Drittens glauben wir, dass die Politik dringend Digitalradio fördern muss. Schlussendlich fordern wir, dass die Privatsenderförderung von 15 auf 30 Millionen Euro erhöht wird.

Hat die Politik die Privatsender im Wahlkampf als Plattform anerkannt?

Ich kann mich noch erinnern, als ich vor knapp vier Jahren VÖP-Vorsitzender geworden bin, war Privatfernsehen und -radio kein echtes Thema für die Politik. Heute ist insbesondere das Privatfernsehen voll angekommen. Das hat auch damit zu tun, dass die Sender Puls 4 und ATV innovative Ideen gebracht und sich nicht beleidigt zurückgezogen haben.

Der ORF argumentiert, die heimischen Privatsender seien der verlängerte Arm deutscher oder internationaler Senderfamilien, das Werbegeld würde abfließen.

Das klingt wie eine Wahlkampfrede von HC Strache. Wir sind in Österreich lizensierte Sender, die hier Wertschöpfung generieren, die Österreicher beschäftigen - ob die dann in österreichischem oder deutschem Eigentum stehen, ist einerlei. Es ist eine Schande für den ORF, mit derartigen fast nationalistischen Argumenten zu agieren.

Was sagen Sie dann dazu, dass auch ATV-Chef Martin Gastinger (im „Journalist") behauptet, Puls 4 sei ein deutscher Privatsender und „eine Bedrohung für den österreichischen Fernsehmarkt"?

Dieses Aussage kenne ich nicht. Und ich kann sie im Moment nicht nachvollziehen.

Der ORF wünscht sich nach den gesetzlich festgelegten vier Jahren Gebührenrefundierung eine Verlängerung ab 2014. Die Privatsender sind strikt dagegen?

Natürlich. Man hat 2010 ganz bewusst vier Jahre definiert, zwei starke Jahre mit je 50 Millionen Euro und zwei weniger starke Jahre mit je 30 Millionen, um dem ORF die Möglichkeit zu geben, sich darauf einzustellen. Wir haben das mit Zähneknirschen hingenommen, weil wir meinen, es wäre schon damals nicht notwendig gewesen.

Und wenn die Refundierung kommt?

Es gibt kein Druckmittel von uns, wir werden auch niemanden bedrohen oder in Geiselhaft nehmen. Aber wir werden trotzdem nicht aufhören, anzuprangern, weil es eine Verschwendung öffentlicher Mittel ist.

Wie steht der VÖP zur Haushaltsabgabe?

Grundsätzlich klingt es vernünftig, aber nur dann, wenn ernsthaft darüber nachgedacht wird, wie man im Gegenzug das Thema Werbung in den Griff bekommt.

Der ORF plant eine Bezahlplattform nach dem Vorbild der Video-Plattform Netflix.

Vielleicht ist das sogar öffentlicher Auftrag des ORF, österreichische Inhalte anzubieten. Allerdings nur, ohne Profit zu machen.

Wie weit oben auf Ihrer Prioritätenliste steht das Facebook-Verbot des ORF?

Wenn der ORF jetzt nach Meinungsfreiheit ruft, sollte er sich daran erinnern, wie es dazu gekommen ist. Es ist Teil eines Deals, den er mit den Zeitungsverlegern eingegangen ist. Jetzt tut er in der Öffentlichkeit so, als ob ihm da etwas aufgezwungen wurde, aber er hat es sich damals so ausgesucht. Wenn er es so nicht mehr haben möchte, dann muss er sich an den Tisch setzen und neu verhandeln. Wenn der ORF diese Vermarktungsmöglichkeit braucht, soll er dafür andere, etwa Plakatwerbungen, aufgeben.

VP-Mediensprecher Karlheinz Kopf hat unlängst gemeint, es sollte strenge Regeln für ORF-Mitarbeiter in sozialen Netzwerken geben. Hat er Recht?

Ich glaube, Medienmitarbeiter sollten sich grundsätzlich überlegen, was sie wo öffentlich sagen, weil sie nirgendwo Privatpersonen sind. Ich denke, so hat es Kopf gemeint. Ein Anchorman oder eine Anchorwoman kann nirgends nur Privatperson sein.

Wie groß ist das Wachstumspotenzial der Privatsender?

Das Potenzial ist noch groß, wir wachsen jedes Jahr.

Wird es 2014 neue TV- und Radiosender geben?

Es soll ein Kinderradio in Wien starten. Es wird im nächsten Jahr sicher neue private TV- und Radiosender geben ohne konkrete nennen zu wollen.

Was wünschen Sie sich für den 18. Geburtstag der privaten Radiosender in zweieinhalb Jahren?

Dass wir die Balance zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern hergestellt haben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2013)

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