Auch die SPÖ scheint mit ORF-Chef Wrabetz nicht zufrieden. Die ÖVP will einen Vertrauten im Vorstand.
Kaum haben SPÖ und ÖVP die Koalitionsverhandlungen aufgenommen, geht es auch schon um den ORF – und um die (Teil-)Entmachtung von ORF-General Alexander Wrabetz. Mit ihm soll die SPÖ ebenso unzufrieden sein wie mit Kathrin Zechner – denn einerseits lässt sich die streitbare Fernsehdirektorin nicht gern dreinreden, wer in TV-Diskussionsrunden eingeladen wird (sie verantwortet auch die TV-Information), andererseits dürften einige in den Parteizentralen die Verantwortung für das unter den Erwartungen gebliebene Abschneiden ihrer Partei bei der Wahl lieber an den ORF und seine Wahlduelle abschieben. Nach dem Motto: Der ORF sei schuld am Erfolg von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Nun könnte der ORF einmal mehr zum Spielball politischer Interessen werden. Bereits vor der Nationalratswahl hat ÖVP-Mediensprecher Karlheinz Kopf klargemacht, dass sich seine Partei für den ORF einen Zweiervorstand wünscht. Dem SP-nahen Wrabetz könnte der VP-nahe ORF-Finanzdirektor Richard Grasl zur Seite gestellt werden. Grasl gilt als Vertrauter des niederösterreichischen Landeshauptmanns, Erwin Pröll, der sich bei den derzeitigen Entscheidungsträgern zuletzt wegen eines „ZiB 2“-Beitrags zum Thema Hypo Niederösterreich bitter beschwerte.
Erinnerungen an ORF-Proporz
Die Opposition fühlt sich angesichts eines solchen Doppelspitzen-Szenarios nicht zu Unrecht an die Zeiten des rot-schwarzen Proporzes erinnert. Auch für Zechner hat die Gerüchtebörse übrigens bereits einen Nachfolger parat: Die SPÖ vertraue lieber Programmentwickler Stefan Ströbitzer. Wrabetz ist derlei Ablöseversuche freilich schon gewohnt und hat bereits mehrere Versuche, ihn aus dem ORF-Chefsessel zu hebeln, überstanden.
In einer Interviewreihe mit der „Presse“ vor der Wahl waren sich SPÖ und ÖVP übrigens noch einig, dass es „keine vorzeitige Ablöse“ des ORF-Generals geben solle. Ein Standpunkt, der sich freilich ändern kann, wenn die neue Regierung darangeht, das ORF-Gesetz in als verfassungswidrig deklarierten Punkten (Faxwahl von Publikumsräten) zu reformieren. Das böte die Gelegenheit, auch die Strukturen neu zu regeln...
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2013)