Wird YouTube jetzt erwachsen?

LeFloid
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LeFloid, Gronkh und Y-Titty sind die Stars auf dem Schulhof. Aber schräge Käppis und Jugend-Slang täuschen nicht darüber hinweg: Die YouTube-Stars werden älter, und die Szene professionalisiert sich.

LeFloid, mit bürgerlichem Namen Florian Mundt, ist eine Art Armin Wolf der Teenager. Wenn er auf YouTube über die NSA berichtet, wenn eine Animation zeigt, wie die Amazon-Drohne sein Zimmer in die Luft sprengt, oder wenn er sich über jenen Raben amüsiert, der einer Friedenstaube des Papstes den Garaus gemacht hat, dann klicken das circa eine Million Jugendliche im deutschen Sprachraum an. Seine Fans wissen, wann eine neue Folge herauskommt, immer montags und donnerstags, pünktlich. Und sie wissen, was von ihm zu erwarten ist: ein unterhaltsamer Überblick über das Wochengeschehen, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.


Skelett mit Stormtrooper-Kostüm. Der Mittzwanziger zelebriert das jugendliche Image. Aufgenommen werden seine News in einem Raum voller Actionfiguren und Skateboards, im Hintergrund ist ein Skelett zu sehen, dem LeFloid ein Stormtrooper-Kostüm übergezogen hat. Das Käppi sitzt leicht schräg, gegrüßt wird mit „Aloha, Freunde“, gesprochen wird im Stakkato, das nur von regelmäßigen rhetorischen Fragen unterbrochen wird. „What the fuck?!“, ruft er in die Kamera. Oder: „Ganz ehrlich, was ist los mit den Leuten?“ LeFloid ist oft empört, und die Zuseher sollen das ruhig merken. Das ist wohl der größte Unterschied zu traditionellen Nachrichten: die Emotion. Ein Sprecher, der mit gleicher ungerührter Miene von der Premiere auf der Berlinale und den Verheerungen eines Taifuns berichtet? Der vom Teleprompter abliest, anstatt frei von der Leber weg zu formulieren? Für LeFloid-Fans undenkbar.


15 Minuten Ruhm war gestern. Begonnen hat Florian Mundt 2007. Damals steckte YouTube noch in den Kinderschuhen, es war ein Kanal für gefilmte Hoppalas, für Aufnahmen von tollpatschigen Katzenbabys und natürlich von Musikvideos. 2007 war das Jahr, als Alexandra Müller mit ihrer unscharf aufgenommenen Performance vom kleinen Hai, der wächst und wächst, schwimmt, schwimmt und am Ende das kleine Mädchen schnappen wird, kurzzeitig zum Star wurde und einen Plattenvertrag ergatterte. So funktionierte YouTube damals: Im besseren Fall bescherte es den Produzenten 15Minuten Ruhm, im besten einen Plattenvertrag und im allerallerbesten eine Karriere.

2014 ist YouTube nicht mehr nur Sprungbrett. Es ist sich selbst genug. Und es gibt immer mehr Konsumenten, die Inhalte vor allem dort suchen. Auf dem Schulweg unterhalten sich Teenager nicht über Stars aus Film und Fernsehen, nicht über den Cliffhanger des Staffelfinales ihrer Lieblingsserie, sondern über den neuesten Beitrag von LeFloid, Gronkh, Applewar Pictures und MrTrashpack. Sie finden auf YouTube alles, was sie brauchen: Unterhaltung genauso wie Anleitung, Filmtrailer, Musikvideos (immer häufiger exklusiv für YouTube produzierte), sie bekommen dort Informationen und sehen – auch das gibt es – begeistert anderen dabei zu, wie sie die neuesten Games ausprobieren.


Werbung, Werbung, Werbung. Wo die Jugendlichen sich tummeln, ist die Werbung nicht weit. Lange Zeit wuchs YouTube anarchisch, seit zwei Jahren findet eine Konzentration und Professionalisierung statt. Die Agentur der deutschen YouTube-Elite heißt Mediakraft. LeFloid ist eines der Aushängeschilder, ein anderes heißt Y-Titty: Philippe Laude, Matthias Roll und Oğuz Yolmaz – oder Phil, TC und OG, wie die Netzgemeinde sie nennt – haben nach eigenen Angaben aus Langeweile begonnen, kleine Filmchen à la „Jackass“ zu drehen. Nach der Matura zogen die drei von Bayern nach Köln, mittlerweile hat ihr Kanal fast drei Millionen Abonnenten, mehr als jeder andere in Deutschland. Ihre Spezialität sind eher pennälerhafte Scherze und Gebrauchssongs für jede Lebenslage. Weihnachten 2012 wurde ihr „Fest der Liebe“ zum Hit (mit Blockflöten und einem Jesus, der grantig erklärt: „An Weihnachten geht es nicht nur um dich, denn heute ist mein Geburtstag, also feiert bitte einfach – mich“). Als der Kalender der Maya in aller Munde war, gingen sie mit einem gefälligen Weltuntergangsliedchen online („Der letzte Sommer“). Und was den „Ständersong“ betrifft, erklärt schon der Titel, worum es geht.

Y-Titty sind zweifellos der Topseller unter den Künstlern der Firma Mediakraft, die mit über 600 Kanälen der wichtigste Anbieter von Online-TV in Deutschland ist. Nach neuen Talenten wird aktiv gesucht, auf ihrer Website bietet die Firma den Künstlern in spe Onlinekurse an, verspricht „exklusive Werbepartner“ und Unterstützung bei rechtlichen Fragen. „Mediakraft will die besten und kreativsten Videomacher Deutschlands dabei unterstützen, dass sie von ihrer Arbeit leben können.“ So wirbt Mediakraft um junge YouTuber. Der Werbewirtschaft verspricht man unter anderem „innovatives Product-Placement“. Der Markt ist neu, viele Fragen sind noch offen. Erlaubt ist alles, was nicht verboten ist und die Zuseher nicht verscheucht.


RTL drängt in den Markt. Mittlerweile haben auch die großen TV-Stationen erkannt, dass YouTube eine Generation vom Fernsehschirm abzuziehen droht – und mit den Zuschauern die Werbeeinnahmen. Große Player wie RTL versuchen mit Mediakraft gleichzuziehen, vor allem indem sie international zukaufen. Auch ProSiebenSat1 geht in die Offensive. Bei diesem Sender ist etwa der Videospiele-Star Gronkh unter Vertrag. Er steht für jene Form der Unterhaltung, die bei Erwachsenen wohl das meiste Kopfschütteln erntet: Für „Let's Plays“ nehmen sich YouTuber dabei auf, wie sie auf dem Computer spielen, und kommentieren nebenbei ihr Tun. Gronkh ist der Bekannteste unter ihnen, und er ist ein Veteran im Geschäft: Er ist 1977 geboren, heißt eigentlich Erich Range und hat eine sanfte Stimme. Er selbst kokettiert damit, dass manche User seine „Let's Plays“ als Einschlafhilfe verwenden. Gronkh veröffentlicht fast jeden Tag ein Video. Am liebsten spielt er „Minecraft“ – ein Spiel, in dem man sich eine ganze Welt aus Würfeln bauen kann, Flora und Fauna inklusive. Legendär wurde Folge 1000, als er die Welt, die er über die Jahre hinweg liebevoll gestaltet hatte, mit ein paar Atombomben in die Luft jagte. Zum Glück war es dann nur eine Kopie.

Gronkh gehört zu jenen, die von ihren Videos leben können. Wie viel die bekannteren YouTuber einnehmen, ist nicht bekannt. Die Rede ist von etwa einem Euro pro 1000 Aufrufen, was bedeutet, dass zumindest Stars wie LeFloid und Y-Titty ein gutes Einkommen erzielen. Man kann damit rechnen, dass es bald mehr sein wird. Und dass der Quotendruck wächst. Schon jetzt lässt sich bei LeFloid feststellen, dass er um politische Themen immer öfter einen Bogen macht: Drogen im Happy Meal ziehen bei der Zielgruppe offenbar doch mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

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Gronkh ist ein Veteran unter den YouTubern: Er spielt „GTA Online“ oder „Minecraft“ und kommentiert dabei das Geschehen.
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