Revolte in der „Libé“: „Wir sind eine Zeitung“

(c) EPA (Horacio Villalobos)
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Die linksliberale Zeitung „Libération“ protestiert gegen eine Umwandlung in ein Kulturzentrum samt Bar.

In der 41-jährigen Geschichte von „Libération“, die von Jean-Paul Sartre und maoistisch-marxistischen Gesinnungsgenossen in den Nachwehen von 1968 gegründet wurde, war die Krise ein ständiger Wegbegleiter der linksliberalen Pariser Tageszeitung. Oftmals war „Libé“, wie sie von den Franzosen liebevoll genannt wird, von der Einstellung bedroht. 1981 trat das Blatt drei Monate lang in den Streik, um sich hernach unter der Führung von Serge July neu zu erfinden.

Die Zeitung stand Pate für die Gründung der Berliner „taz“, die nicht nur ihre frechen Titel und ihren Schwerpunkt auf Öko-Themen kopierte. Libération verströmte indessen viel mehr Glamour. In den vergangenen Jahren agierte einmal einen Tag lang Carla Bruni als Blattmacherin, ein anderes Mal war es Jean-Paul Gaultier. Der Couturier ließ die Redakteure als mäßig bekleidete, mit Zeitungspapier drapierte Models durch die Seiten flanieren. Seit Neuestem geht es wieder bergab: Die Auflage von „Libé“ sank unter 100.000, die Schulden türmen sich auf sechs Millionen Euro.

„Putsch der Aktionäre“

Die Redakteure sind also allerhand gewohnt. Umso mehr sorgte die Schlagzeile am vorigen Wochenende für Furore: „Nous sommes un journal“ – „Wir sind eine Zeitung.“ Das las sich weniger als eine Klarstellung und mehr wie ein Aufschrei, um nicht zu sagen ein Hilfeschrei. Zuvor war per E-Mail seitens der Mehrheitseigentümer, dem Bankier Édouard de Rothschild und dem Immobilien-Tycoon Bruno Ledoux, das Konzept für ein neues Geschäftsmodell eingegangen.

Parallel zu einem drastischen Sparkurs – Gehaltseinbußen von zehn Prozent, einer Vorverlegung des Redaktionsschlusses und Frühpensionierungen – sowie einem Auszug der Redaktion aus dem trendigen Marais-Viertel in der Pariser Innenstadt an die Peripherie der Hauptstadt, soll Star-Designer Philippe Starck die Redaktionsräume in ein Kultur- und Konferenzzentrum samt Restaurant und Bar verwandeln. Das spiegelt den weltweiten Trend wider, neue Geschäftsfelder für Printmedien zu erschließen – etwa durch Reisen, wie es die „Zeit“ seit Längerem vorexerziert.

In der revolutionären Manier ihrer Gründerväter ging die „Libé“-Mannschaft gegen die einstigen Retter, die das Blatt vor sieben Jahren vor dem Konkurs bewahrt hatten, auf die Barrikaden. Prompt war von einem „Putsch der Aktionäre“ die Rede und vom Ausverkauf, von „Libéland“ oder „Libéworld“ – und die Redaktion mokierte sich süffisant über orthografische Fehler im Mail der Ko-Eigentümer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2014)

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