Die Frauenangelegenheit

BURGTHEATER: KARIN BERGMANN
BURGTHEATER: KARIN BERGMANN(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Aus dem Alltag der »Im Zentrum«-Redaktion und von der Suche nach weiblichen Studiogästen. Von Männern, die nicht Koffer packen können, und Frauen, die sich keine TV-Auftritte zutrauen.

Es ist immer das Gleiche: Die Frequenz, mit der wir in der Redaktion von „Im Zentrum“ nach Frauen suchen, ließe vermuten, hier wäre ein Haufen männlicher Singles mit Sehnsucht nach einer Lebenspartnerin zugange. Stimmt nicht. Unsere Redaktion besteht zu gut zwei Dritteln aus Frauen. Und die Vorgabe ist klar: Es gibt keine Diskussionsrunde ohne Frauen – die (meist) weibliche Moderatorin nicht mitgezählt.

Zugegeben, bei Themen wie Amtskirche oder Bundesheer ist es schwierig, weibliche Studiogäste mit entsprechender Expertise oder Erfahrung zu finden. Also sind wir gelegentlich auch gezwungen, Aspekte zu (er-)finden, die auch bei solchen Themen frauentauglich sind. Nicht erfinden können wir hingegen weibliche Ausgaben männlicher Spitzenpolitiker, Firmenchefs, Sozialpartnerchefs, Banker etc. Wer die sogenannten Entscheidungsträger in der Sendung haben will, erkundigt sich eben nicht zuallererst nach dem Geschlecht, sondern nach Funktion und Verantwortung.


Gut im Absagen. Wie sehr das Selbstbild potenzieller Studiogäste je nach Geschlecht variiert, zeigt ein im Halbscherz gemeinter Spruch aus unserer Redaktion: „Fragst du einen Mann, sagt er: ,Ja ich komme, um welches Thema geht es denn?‘“ Das Gegenteil erfahren wir indes, sobald wir an Frauen herantreten. Da weiß es dann nämlich der männliche Kollege noch besser, hat den einen wissenschaftlichen Artikel mehr veröffentlicht als sie oder ist im öffentlichen Auftritt sowieso viel versierter und erfahrener. Deswegen war das selbstbewusste „Ich kann das!“ von Neo-Burg-Chefin Karin Bergmann so erfrischend.

Selbstverständlich können auch wir nur vereinzelt ein anderes Abbild jener Gesellschaft kreieren, die ist, wie sie ist – stark geprägt von noch immer mehrheitlich männlichen Führungsfiguren. Aber als öffentlich-rechtliches Medium stehen wir eben auch im permanenten Spannungsfeld zwischen realen Gegebenheiten und Vorbildfunktion – und Letztere nehmen wir ernst. So ernst, dass wir einst bei einer Sendung auch nach gezählten 21 Absagen weiblicher Gäste nicht aufgaben. Diese Suche hatte eine Dimension angenommen, die auch das bisher uns bekannte Repertoire an Ausreden überstieg. Deshalb hielten wir schriftlich fest, wer uns mit welcher Begründung einen Korb gegeben hat:
•Elfmal kam der Verweis auf den vermeintlich besser qualifizierten männlichen Vorgesetzten, Kollegen, Bekannten, in einem Fall sogar auf den eigenen Stellvertreter.
•Achtmal stand in der Eile für Sonntagabend kein geeigneter Babysitter zur Verfügung, oder es gab am Montagmorgen schon früh einen Termin – „Sorry, leider nein, das ist mir zu anstrengend.“
•Und einmal bekamen wir von einer topqualifizierten Frau zu hören: „Mein Mann verreist am Tag darauf, ich muss ihm am Abend noch den Koffer packen.“ Kein Schmäh.

Mit Ausnahme des Terminarguments allesamt Absagen, die wir von Männern selten bis nie gehört haben.


Frauen stellen sich infrage. Es gibt also immer noch Männer, die tatsächlich nicht selbst ihren Koffer packen können oder wollen, und noch immer viel zu viele Frauen, die sich einen Live-Fernsehauftritt einfach nicht zutrauen. Nicht einmal dann, wenn es um ihr Fachgebiet geht. Vielleicht liegen wir aber auch ganz falsch. Vielleicht stellen sich viele Frauen lediglich die Frage: „Kann ich bei einem solchen Auftritt etwas gewinnen – und wenn ja, was?“ Hinterfragen sich Frauen stärker als Männer? Im Grunde sind diese klischeehaften Zuordnungen beinah lächerlich, dennoch lehrt uns die Erfahrung, dass etwas dran sein könnte.

Aber wir geben nicht nach und nicht auf. Mittlerweile haben wir so etwas wie unsere eigene kleine „Partnervermittlungsagentur“ – die Redaktion der „New Faces“. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien macht sich dieses Team gezielt auf die Suche nach Expertinnen und Experten aus allen Fachbereichen – mit besonderem Fokus auf Frauen. In einer Datenbank kann sich unsere Redaktion Interviews mit den KandidatInnen ansehen und sich einen Eindruck verschaffen. Wer dabei sein will, dem wird auch ein Schulungstag im Rahmen der sogenannten Expert-Academy angeboten. Und diese Arbeit trägt Früchte: Es ist uns in den vergangenen Jahren tatsächlich gelungen, den Frauenanteil in unserer Diskussionssendung „Im Zentrum“ kontinuierlich und deutlich zu steigern. Auch in der „Pressestunde“ sitzt immer mindestens eine Frau.

Übrigens: Kennt jemand eine Frau, die sich in der Raumfahrt gut auskennt, deutschsprachig und kurzfristig verfügbar? Nur für den Fall, dass wir einmal über dieses Thema diskutieren.

Zur Person

Ingrid Thurnher
(*1962 in Bludenz) ist seit 1985 beim ORF, u.a. als Redakteurin im ORF-Landesstudio NÖ. Von 1991 bis 1994 war sie Innenpolitikredakteurin beim ORF-Hörfunk.

1995–2007
Moderatorin der
„ZiB 2“. Seither moderierte sie u.a. Wahlduelle vor den NR-Wahlen, „Sommergespräche“ und ist die Hauptmoderatorin von „Im Zentrum“.
ORF

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2014)

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