Die sehr ernsten Scherze des Stephen Colbert

Stephen Colbert
Stephen Colbert(c) EPA (ANDREW GOMBERT)
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Der Nachfolger des Talkshow-Meisters David Letterman hat die Satire auf neue Höhen getrieben.

Was tut man, wenn man eine Laudatio auf den mächtigsten und zugleich unbeliebtesten Mann Amerikas halten muss, der sein Land in zwei fatale und unnötige Kriege getrieben hat? Man macht ihm und seiner Gesinnung giftige Komplimente. „Ich glaube daran, dass die Regierung am besten regiert, die am wenigsten regiert. In dieser Hinsicht haben wir eine fabelhafte Regierung im Irak installiert.“ Stephen Colbert, der dem Präsidenten George W. Bush 2006 beim jährlichen Dinner der Washingtoner Korrespondenten diesen stacheligen Blumenstrauß überreicht hat, ist der großartigste Satiriker des amerikanischen Fernsehens. Seine wochentägliche Sendung „The Colbert Report“ auf dem Sender Comedy Central spießt jene rabiaten politischen Fernsehprediger auf, die Fox News seit gut 20 Jahren aus dem Stall lässt, um das verunsicherte Volk emotional aufzuwiegeln. Wenn Colbert in der Bühnenperson eines erzkonservativen TV-Talkmasters Sätze wie „Ich liefere Ihnen die Wahrheit, ungefiltert durch rationale Argumente“ oder „Die Realität hat eine klar liberale Schlagseite“ aus dem stets akribisch gebügelten und gebürsteten Anzugsärmel schüttelt, liegt er gar nicht so fern von den Weisheiten, die Fox-News-Stars wie Sean Hannity oder Bill O'Reilly zum Besten geben. Gewissermaßen steht der 49-jährige Colbert in der Tradition anarchischer Komödianten wie Groucho Marx, der sich unangenehme Wahrheiten in seinem Filmen mit ironischen Aperçus wie „Dies sind meine Grundsätze. Wenn Sie Ihnen nicht gefallen, habe ich noch andere parat“ eine Handbreit vom Leib hielt.

Nun soll Colbert einen der begehrtesten Schreibtischsessel des amerikanischen Showgeschäfts einnehmen. CBS gab am Donnerstag bekannt, dass er nächstes Jahr David Letterman als Gastgeber der „Late Show“ folgen soll. Ob das klappt, ist fraglich, denn Colbert wird seine brachialkonservative Kunstfigur ablegen und erstmals vor der Kamera er selbst sein. Der Mann, der der amerikanischen politischen Sprache das ebenso kluge wie treffende Wort „Truthiness“ geschenkt hat, kommentierte dies selbstironisch so: „Ich beneide den nicht, den sie auf diesen Sessel setzen wollen.“  [ EPA ] (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2014)

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