Der offene Brief von „David“ Axel Springer an „Goliath“ Google

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Springer-Vorstand Mathias Döpfner bekennt in einem Brief an den Chef des Suchmaschinenriesen: „Wir haben Angst vor Google.“

„Heulsuse“ – das war noch eine der netteren Beschreibungen für den Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner in den sozialen Netzwerken. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, also geschickterweise nicht in den hauseigenen Blättern „Welt“ oder „Bild“, beanspruchte er am Mittwoch die komplette „Feuilleton“-Titelseite mit einem offenen Brief an den Google-Boss Eric Schmidt.

Vergangene Woche hatte der oberste Strippenzieher beim Suchmaschinenriesen einen Kommentar in der „FAZ“ geschrieben und darin gefragt, „warum eigentlich alle auf unserem Konzern herumhacken“. Döpfners Antwort darauf ist vielschichtig. Sie beginnt mit einer Lobhudelei auf Google, geht weiter mit einem überraschenden Bekenntnis („Wir haben Angst vor Google“) und viel Kritik, endet mit einer naiven Bitte. Er sei „ein großer Bewunderer des unternehmerischen Erfolgs von Google“ und kenne Eric Schmidt schon lange persönlich. Die Geschäftsbeziehung seines Konzerns mit dem Suchmaschinenunternehmen sei wie die „von Goliath Google zu David Axel Springer“. Mit 14 Milliarden Dollar Jahresgewinn mache Google zwanzigmal so viel Profit wie der deutsche Verlag. Wenn Google zufällig oder geplant einen Algorithmus ändere, breche „bei einem unserer Tochterunternehmen in wenigen Tagen der Traffic um 70 Prozent ein“.

„Ich habe Angst vor Axel Springer“

Die „Heulsusen“-Rufe haben ihm wohl diese Passagen eingebracht. Nicht wenige Beobachter fühlen sich an jene Jahrzehnte erinnert, in denen sich die deutsche Politik nicht getraut hat, gegen die „Bild“-Zeitung aus dem Hause Springer aufzutreten. Es sei beinah putzig, wenn ein Konzern wie Springer, der im Vorjahr bei der Politik das umstrittene Leistungsschutzrecht (also eine Art Lizenabgabepflicht für Suchmaschinenbetreiber) durchgebracht habe, nun schluchzen würde, weil er an Macht verliere. Der Blogger und Digitalberater Thomas Knüwer ließ seine Wut seinerseits in einem Brief an Döpfner aus, den er mit den Worten beendete: „Ich habe Angst vor Axel Springer unter der Führung von Matthias Döpfner.“

Doch Döpfner bekam auch Zustimmung für seine Worte: Wenn er auch der falsche Kronzeuge in der Sache sei, so sei seine Klage dennoch richtig. Döpfner wettert gegen die Marktmacht von Google und die Ausbeutung unserer aller Daten. Zudem versucht er, das für manche schizophrene Verhalten Springers im Umgang mit Google zu erklären: Einerseits sei man als Verlag auf den Suchmaschinenriesen angewiesen und kooperiere daher mit ihm, andererseits müsse man sich gegen die wettbewerbsverzerrende Marktmacht wehren. Das sei nicht schizophren, sondern „alternativlos“, ein Begriff, den Kanzlerin Merkel gern verwendet.

So appelliert Döpfner also an die Politik, vor allem an die in Brüssel. „Wird die Europapolitik einknicken oder aufwachen?“ Sollte die aber weiterschlafen, setzt er Hoffnung in Eric Schmidt und schlägt ihm einen etwas naiven Deal vor: Weil „man sich auch zu Tode siegen“ könne, rät er ihm, dem Sieger, eine „freiwillige Selbstbeschränkung“. Bevor ein Politiker die Zerschlagung Googles fordere, soll sich der Konzern selbst zurückhalten. Ein Rat wie dieser vom Chef einer der größten börsenotierten Verlage Deutschlands – das ist tatsächlich putzig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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