ORF-Reform: Mitten im Chaos

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Notbremse verhindert Millionen-Desaster: Mit der Entscheidung, „Mitten im Achten“ abzusetzen, reagiert ORF-General Wrabetz vor allem auf Kritik der Werbewirtschaft.

Jetzt hat ORF-General Alexander Wrabetz also die Bewohner der Wohngemeinschaft mitten im Achten an die Luft gesetzt. Zu wenig Interesse. Zu flaue Quoten. Zu viel Kritik. Dabei ist ein großer Teil der Kosten der Programmreform - immerhin zwei Drittel der von Wrabetz budgetierten zehn Millionen Euro - in die eigenproduzierte Serie geflossen. Nun musste Wrabetz "Mitten im Achten" aus dem Programm werfen.

Was hat es gekostet?

Teures Experiment: 50.000 Euro soll jede der 45 bis heute ausgestrahlten Folgen gekostet haben. 130 Episoden waren bis Ende 2007 geplant (ergibt 6,5 Mio.€).

Kolportiert werden aber Kostenüberschreitungen und Ausgaben von 61.000 Euro pro Folge. Eine Frage, die der Finanzausschuss des ORF-Stiftungsrates am Mittwoch versucht hatte zu klären - ohne Erfolg. Wrabetz blieb bei den offiziellen Zahlenangaben für Produktion und Marketing.

Wenn der ORF "Mitten im Achten" nun mit Ende Juni absetzt, zahlt man - so tönt es vom Küniglberg - jedenfalls weniger als die geplanten 6,5 Millionen, weil noch nicht alle Folgen vorproduziert sind. Auch sollen Verhandlungen anlaufen, zu welchen Konditionen der ORF die (Miet-)Verträge kündigen kann. Von diesen Verhandlungen wird schlussendlich abhängen, wie viel Geld wirklich in den Sand gesetzt wurde.

"Malcolm" verringert Ausgaben

Statt der Eigenproduktion wird nun fürs Erste die US-Serie "Malcolm mittendrin" wiederholt, die zugekauft und damit deutlich günstiger ist. Wrabetz spart damit unterm Strich sogar Kosten ein: Kein Programm dieser Art kostet mehr als 10.000 Euro pro Folge; die meisten liegen deutlich darunter, heißt es ORF-intern. In der Produktion freilich verschlingt z.B. "Friends" etwa 500.000 Euro pro Folge - zehn Mal so viel wie "MiA", was sich durch den weltweiten Verkauf an große Stationen rechnet.

Heute tagt der Stiftungsrat, das ORF-Aufsichtsorgan - und die Räte werden abermals Auskunft fordern. Franz Medwenitsch, Leiter des ÖVP- "Freundeskreises": "Wir wollen wissen, ob die Reformkosten im Plan sind und ob die in Aussicht gestellte Erhöhung der Werbeeinnahmen unter den gegebenen Umständen auch halten wird." Weiters wird zu eruieren sein, was mit jenen Folgen passiert, die bereits gedreht sind, aber noch nicht gesendet wurden. Wrabetz am Mittwoch: "Wir werden alle Folgen, die produziert wurden, auch irgendwann einmal im Programm einsetzen." Wann, lässt er offen.

Mit der Absetzung von "Mitten im Achten" versucht Wrabetz nicht nur beim Publikum, sondern auch beim zweiten Geldgeber, der Werbewirtschaft, zu retten, was zu retten ist. Denn aus der Branche hatte es scharfe Kritik gegeben. Die Werber wollen möglichst viele, möglichst junge, möglichst kaufkräftige Seher für ihre Werbespots.

Die hatte ihnen Wrabetz versprochen: Er hob die sakrosankte Durchschaltung der "Zeit im Bild" auf, um eine junge, urbane Zielgruppe zu ORF1 zurückzuholen - damit diese nicht bei vornehmlich deutschen Privatsendern (z.B. "Gute Zeiten, schlechte Zeiten") fremdgehe. 400.000 "MiA"-Zuschauer hatte der ORF zunächst in Aussicht gestellt. Später war nur noch von 200.000 die Rede. Für die Werbespots vor und nach "MiA" habe man ohnehin nur 80.000 kalkuliert, stellte Walter Zinggl, Chef der ORF-Enterprise, später gegenüber der "Presse" klar. Die Agenturszene maulte immer lauter: Man bezahle dem ORF zu viel für zu wenig Leistung.

Dementsprechend ist das Verhältnis der Verteilung der Werbeeinnahmen zuletzt deutlich in Richtung Privatsender gekippt. Laut den jüngsten Berechnungen des Focus-Instituts haben die privaten TV-Stationen ihre Werbeumsätze im Zeitraum Jänner bis April um 18,4 Prozent gesteigert.

Wie reagiert die Werbung?

Jene des ORF-TV stiegen nur um 3,2 Prozent. Im ersten Quartal 2007 gingen 61 Prozent der Ausgaben für TV-Werbung an den ORF, 39 an die Privaten. Im April waren es nur noch 58,5 Prozent für den ORF. Nicht, dass die heimische Agenturszene auf den ORF verzichten könnte/wollte (laut Zinggl ist man bis November ausgebucht), aber der Druck auf die Werbetarife wird weiter steigen, wenn Wrabetz' Reformprogramm es nicht schafft, die Marktanteile spürbar anzuheben.

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