Haider schwul? Wer will das wissen?

Die Presse (Clemens Fabry)
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In Medien lancierte Fotos von Jörg Haider beim Posieren mit jungen Männern beweisen ein eigenartiges Verhältnis zur Homosexualität. Und zu Jörg Haider.

Es ist schon fast eine der klassischen Stadt-Legenden. Der Freund eines guten Bekannten eines Cousins soll mit Jörg Haider Sex oder zumindest einen Kontakt gehabt haben, der dorthin hätte führen sollen. Und ein bekannter TV-Schauspieler sei mit dem heutigen Kärntner Landeshauptmann quasi in flagranti erwischt worden, von der polnischen Putzfrau, die wiederum plötzlich alle über vier Ecken gekannt haben wollen.

Die absurde Häufung dieser Geschichten spricht wie im Falle der Spinnen in der Bananenstaude beim lokalen Supermarkt oder dem von einem Ehepaar versehentlich verzehrten Hund in einem China-Restaurant klar dafür, dass sie frei erfunden sind. Dennoch beflügelten sie die Fantasie vieler Journalisten mindestens ebenso lang, wie Haider in der Politik ist. Dass er verheiratet ist, Töchter hat, einer gesellschaftspolitisch sehr konservativen Partei mit wechselnden Namen vorstand, machte sie für viele nur spannender. Die vielen jungen Männer, die Jörg Haider abseits der klassischen Vorfeld-Organisationen bei fast privaten Gelegenheiten wie Sponsionen anwarb und die für politischen Nachwuchs viel zu modisch gekleidet waren, waren für viele ein starkes Indiz. Und die ungewöhnliche Freundschaft zum Sohn des libyschen Revolutionsführers, die so viele gute Event-Fotos lieferte...

Er selbst hat bestritten, dass er homosexuell sei. Zudem gilt in Österreich (noch) das ungeschriebene Gesetz, dass über das Privatleben eines Politikers nur dann geschrieben wird, wenn es dieser selbst thematisiert (wie Thomas Klestil, Karl-Heinz Grasser, Andrea Kdolsky), blieb es in fast allen Redaktionen bei theoretischen Überlegungen. Natürlich wurde der strategische Sandkasten bemüht: Würde ein (un-)freiwilliges Outing als Bi- oder Homosexueller Haider schaden, würden sich die Wähler abwenden?

Denn schließlich heiligt dieser Zweck doch alle Mittel. Ging es doch darum, Jörg Haider, die populistische Gefahr von rechts, den gefährlichen Demagogen, den Salon-Sportler des Neofaschismus, zu stoppen. Das war Mission einer Journalisten-Generation. Die wurde zwar erfüllt, aber nicht ganz auf die Art und Weise wie erhofft. Oder anders: Den Zweck, Jörg Haider zu besiegen, erfüllte ausgerechnet Wolfgang Schüssel. Der selbst einen ganz anderen hatte...

Das elegante Haider-Foul blieb Pflicht im innenpolitischen Journalismus, obwohl der einstige Dämon in seinem Kärntner Operettenland nur noch ein sehr lokales Phänomen ist. (Sieht man von der einen oder anderen Hilfe als braver Mehrheitsbeschaffer für Schüssel und später Wrabetz ab.) Doch nun gibt es Fotos von der Operette: Haider lacht mit Jugendlichen für Party-Fotos, die zu Tausenden im Netz unterhaltsam und sinnlos kursieren. Haider posiert, halst und umarmt, wie es in einer Partynacht immer passieren kann. Oder eben in einem Schwulenlokal.

Doch diese Aussage wagte das Nachrichtenmagazin „profil“ natürlich nicht, als es als erster diese Fotos abdruckte. Es ging suggestiv durch die Hintertür: Das Lokal sei für Amok-Trink-Aktionen bekannt. Und dafür könne der Landeshauptmann doch nicht posieren? Tricky und scheinheilig zugleich. Die Fotos lösten dank erwähnter urban legends bei Lesern – ein Blick in die Internet-Foren der österreichischen Zeitungen zeigt es – vor allem eine Assoziation aus: Jörg Haider umarmt junge Männer – Jörg Haider ist schwul.

Absicht? Zufall? Zurück in die Sandkiste: Ein Outing Haiders zum Zwecke der Wähler-Minimierung sei unethisch, weil er nie gegen Schwule gehetzt habe, wie etwa gegen Ausländer, so die immer wieder formulierte Meinung. (Hätte dann eine Affäre mit einem Ausländer veröffentlicht werden müssen?) Wirklich problematisch ist: Jörg Haider als homosexuell zu outen, um ihm politisch zu schaden, setzt auf Schwulenhass und bedient ihn. Über diese Form der Diskriminierung war weniger oft zu hören.

„Auch Schlechtmenschen homosexuell“

Die Homosexuellen-Initiative hatte lange gefürchtet, Zurschaustellung des vermeintlichen Haiderschen Zweitlebens könnte die öffentliche Haltung zur Homosexualität verschlechtern, echte FP-Wähler würden die Darstellung für eine Verschwörung halten. Diese nicht unbedingte selbstbewusste Argumentation wurde 2000 deutlich verändert. Auf der Hosi-Homepage steht bis heute: „Betrachtet man Outing als politischen Akt gegen versteckte Homosexuelle, die in wichtigen politischen Funktionen anti-homosexuell agieren und handeln, so ist gerade in Haiders Fall ein Outing gerechtfertigt. Für Lesben und Schwule bringt das Outing Haiders allerdings sicherlich nichts Positives. Aber auch Lesben und Schwulen ist die Wahrheit zumutbar. Sie müssen sich damit abfinden, so schmerzlich das auch sein mag, dass Lesben und Schwule nicht automatisch die besseren Menschen sind, dass Homosexuelle nicht nur Gutmenschen, sondern auch Schlechtmenschen sein können.“

Dazu werden Aussagen prominenter FP- und BZÖ-Politiker aufgelistet, die sich gegen Schwule richteten, etwa dass Hilmar Kabas die rosa-lila Villa als „subventioniertes Bordell“ bezeichnet habe. Schluss der Site: „Wir distanzieren uns auf jeden Fall von Haider und verstoßen ihn aus der schwulen Gemeinschaft.“

Eine zentrale Frage wurde leider kaum je öffentlich gestellt: Wer will über das Liebes- und Sexualleben des Politikers Haider Bescheid wissen? Und was würde das ändern?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2007)

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