Medien: Deutschland: Feuerkopf und Choleriker

„Spiegel“-Kulturchef Matthias Matussek wurde Opfer seines Temperaments.

An Selbstinszenierung lässt Matthias Matussek es selten fehlen, so war er auch in bitterer Stunde nicht um einen Gag verlegen. Ausgerechnet Hellmuth Karasek, einen seiner geschaßten Vorgänger, lud sich der „Spiegel“-Kulturchef zur Persiflage aufs Show-Kochen in seinen wöchentlichen Video-Blog. Die beiden brieten ein Spiegelei, Matussek machte sich in der denkmalgeschützten „Spiegel“-Kantine genüsslich daran, es zu verzehren, als wollte er alle Welt verhöhnen.

Als wäre der „Spiegel“ nicht von ganz anderen Personalquerelen geplagt, als würde es sich nicht bei der Suche nach einem Nachfolger für Chefredakteur Stefan Aust blamieren, demontierte das Blatt den bekennenden Egomanen als Ressortchef. Matussek sei untragbar geworden, sogar seine eigenen Leute – als „Popliteraten-WG“ verunglimpft – hätten sich am Ende gegen ihn gewandt. Die Affäre beweist, wie blank die Nerven in der Redaktion in Hamburg liegen.

Matusseks cholerische Ausbrüche sind legendär. Als er zuletzt gegen den bayerischen Kabarettisten Django Asül loslegte, der den Kulturteil zerzauste, war es um ihn geschehen. Matussek war gezwungen, sich zu entschuldigen und seinen Posten zur Verfügung zu stellen. Er verabschiedete sich in einen verlängerten Weihnachtsurlaub – und hinterließ den Video-Blog als Kommentar. Als Autor soll er dem Magazin erhalten bleiben.

Justament gegen den Mainstream

Mit konservativem Katholizismus, Polemik über aufkeimenden Patriotismus in Deutschland („Wir Deutschen“) und Attacken gegen das Regietheater machte sich der brillante Schreiber und Feuerkopf im eigenen Haus unbeliebt. Nach dem Mauerfall spürte Matussek den Verwerfungen der Wende nach, schrieb sich zum Kisch-Preisträger hoch. Zuvor hatte er sich als Korrespondent in New York Reputation erworben, später ging er nach Rio de Janeiro. Zurück in Deutschland stilisierte er sich mit roten Hosenträgern über weißem Hemd zur Kultfigur. Matussek war für alles zu haben, Gast auf allen Podien, Symposien und Talk-Shows, wenn eine originelle Meinung gefragt war. Er setzte Themen, entfachte zur Fußball-WM eine Patriotismus-Debatte. Freilich geriet ihm das Abweichen vom Mainstream zum Justament-Standpunkt – too much für das angespannte Klima beim „Spiegel“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2007)

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