European Newspaper Congress: Der Trend zum Tabloid

(c) AP (Steve Ruark)
  • Drucken

Das handliche Kleinformat erobert weiter Europa. In Skandinavien sind Zeitungen „magaziniger“, in Deutschland „konservativ“.

Ab Sonntagabend ist Wien wieder der Nabel der europäischen Zeitungswelt. Zum diesjährigen „European Newspaper Congress“ werden etwa 500 Chefredakteure und Führungskräfte von Zeitungshäusern aus ganz Europa im Wiener Rathaus erwartet. Thema des vom deutschen Zeitungsdesigner Norbert Küpper mit dem Frankfurter „Medium Magazin“ und dem Fachmagazin „Der Österreichische Journalist“ organisierten Veranstaltung sind die neuesten Trends im Printsektor. Und für Küpper ist eines klar: „Der Trend zu Tabloid ist übermächtig.“ Tabloid, das ist das Format, in dem z.B. die „Kleine Zeitung“ seit eh und je erscheint. Und es ist auch das Format der Gratiszeitungen, die an allen Ecken und Enden aus dem Boden sprießen, für eilige Pendler und die jungen Leute, die mit Gedrucktem bald weniger anfangen können als mit Bits und Bytes.

Zeitungen, dick wie ein Telefonbuch

„In Europa ist dieses Format sehr gängig“, sagt Küpper im Gespräch mit der „Presse“. Aber während etwa der britische „Independent“ auf die halbe Größe umgestellt habe, sei das Tabloid in Deutschland „fast unbekannt“, in der Schweiz machten es die Gratiszeitungen populär. Warum einige Kaufzeitungen sich angepasst haben? „Das liegt vielleicht auch daran, dass die Anzeigenumfänge stark zurückgegangen sind“, glaubt Küpper. „In Deutschland ist die Not nicht so groß“, der Abwärtstrend sei nicht so stark – was wohl auch dazu beigetragen habe, dass sich die Branche dort der weitverbreiteten Schrumpfung nicht anschließen wollte: „Die Zeitungen haben dort so viel Umfang, würde man da umstellen, würden die so dick wie ein Telefonbuch.“ Und noch etwas: „Deutschlands Leser sind konservativ“, die Zeitungen agieren daher vorsichtiger.

Sparen im Kleinformat

Die „Frankfurter Rundschau“ tat es im Mai 2007 doch – und wollte damit ihre schwache wirtschaftliche Lage verbessern: 2006 schrieb das Blatt zehn Millionen Euro Verlust, 2008 schon soll die Zahl unterm Strich eine schwarze sein. Anders der Weg der „Welt“ – das Kleinformat, die „Welt kompakt“ mit knapperen und kürzeren Inhalten, erscheint parallel zum im traditionellen Großformat erscheinenden Schwesterblatt. Die Auflage liegt bei knapp 280.000 – und wird nicht gesondert ausgewiesen. Laut „Süddeutscher Zeitung“ ist auch für die „Bild am Sonntag“ eine Kompaktversion geplant. Billiger, dünner soll sie sein – und Sonntagsleser gewinnen.

Küpper sieht auch einen Trend zu Info-Grafiken, zu noch größeren Fotos – „dafür weniger pro Seite“ –, zu mehr Farbe (was auch an der sich ständig steigernden Druckqualität der Zeitungen liegt) und in der immer „magaziniger“ werdenden Zeitung. Vorreiter sind hier in den skandinavischen Ländern jene Blätter, die auf Tabloid umgestellt haben. Neben dem Nachrichtenteil, der die „normale Durchschnittsware“ zu bieten habe, würden Beilagen, Sondergrafiken, Titelseiten immer mehr an Bedeutung gewinnen, man gönne sich mehr Weißraum, was die Optik deutlich auflockert, erklärt Küpper.

86 Newspaper Awards zu vergeben

Getagt wird bis Dienstag im Wiener Rathaus, ausgezeichnet wird auch: 288 Zeitungen aus 26 Ländern haben sich an der Ausschreibung des neunten European Newspaper Award beteiligt – 86 Zeitungen aus 17 Ländern werden einen Award bekommen, darunter auch die „Presse“ für ihre Titelseite vom 7.September2007.

Küpper spricht zum Auftakt darüber, welche Zeitungsmacher derzeit die „Meilensteine“ in Europa sind. Serafim Kotrotsos, Chefredakteur der „Eleftheros Tipos“ (Griechenland), spricht über „Die Zeitung als das perfekte tägliche Magazin“. Rafael Nadal, Chef der spanischen Regionalzeitung „El Periodico“, berichtet über die Erfahrungen des Blattes, das sich mit monothematischen Titelseiten und einer urbanen, dynamischen Bildsprache präsentiert. Und „Welt“-Chefredakteur Christoph Keese wird berichten, wie es seinem Blatt ein Jahr nach Ausrufung des Mottos „Online First“ ergeht.

Am letzten Kongresstag diskutieren die Blattmacher beim „European Editors Forum“ unter anderem mit dem Gesandten des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, über die aktuelle politische Situation in China und über die Frage, ob und wie die Redaktionen anlässlich der Olympischen Spiele politische und sportliche Berichterstattung verbinden oder trennen sollten.

DER KONGRESS

Etwa 500 Chefredakteure und Blattmacher werden von 20. bis 22.4. am European Newspaper Congress in Wien teilnehmen. 86 Zeitungen erhalten einen Award.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.