European Newspaper Congress: Olympia-Boykott?

(c) Die Presse (Teresa Zoetl)
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Diskussion der Chefredakteure über die Olympischen Spiele. „Die Presse“ erhält einen Award.

„Wir erwarten von den Journalisten keine Solidarität – wir erwarten, dass sie berichten, was los ist“, erklärte Kelsang Gyaltsen, Gesandter des Dalai Lama, bei einer Diskussion am letzten Tag des Newspaper Congress in Wien, an dem auch die Awards of Excellence (u.a. an die „Presse“) vergeben wurden. Die Chefredakteure halten von einem Boykott der Olympischen Spiele wenig: „Man sollte das Licht nicht ausknipsen, sondern die Scheinwerfer genau auf die dunklen Flecken richten“, ist Andreas Cichowicz (NDR) überzeugt. Sein Sender werde die Olympia-Berichterstattung mit zehn Dokus über die Situation in Tibet, über Umweltverschmutzung oder auch die Lage der Wanderarbeiter in China begleiten.

Rubina Möhring (ORF, „Reporter ohne Grenzen“) betonte, dass weder Menschenrechte noch die Pressefreiheit in China gesichert seien. „Ich habe einen Traum. Nämlich, dass sich die internationalen Repräsentanten entscheiden, nicht selbst zur Eröffnung zu kommen, sondern die zweite oder dritte Garnitur zu schicken – das wäre ein Zeichen“, findet sie.

Kritik am Olympischen Komitee

ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser hält von solchen Vorschlägen nichts: „Das ist doch reine Heuchelei. Das kratzt keinen Menschen, ob Bush oder Sarkozy dort sitzen.“ Man dürfe die politische Arbeit nicht den Sportlern übergeben, indem man von ihnen verlangt, sich zur Tibet-Frage zu äußern. Vielmehr müsse man sich fragen, wie es überhaupt dazu gekommen sei, dass die Olympischen Spielen in China stattfinden. „Die Politik hat da kein Mitspracherecht“, so Oberhauser.

„Das ÖOC hat völlig versagt“, meint er – man habe genau gewusst, welche „Schweinerei“ da in Tibet passiere. Auch von Peter Rotenbühler („Le Matin“) muss das Olympische Komitee heftige Kritik einstecken: Das IOC sei eine „undemokratische, leicht korrupte Organisation, die vor allem vom Geld gesteuert wird“. An diese dürfe man keine politischen Aufgaben übergeben, meint er.

Uwe Vorkötter („Frankfurter Rundschau“) übte Selbstkritik: Die Medien müssten „ihr Bild von China schärfen“ und: „Wir müssen immer wieder berichten, dass kein Journalist nach Tibet hineindarf“. Gyaltsen berichtete, Tibet sei „faktisch im Kriegszustand“ und militärisch besetzt: „Tibet ist im jetzigen Zustand ein einziges Gefängnis, und man weiß nicht, was in diesem Gefängnis vor sich geht.“ Für die Tibeter sei deshalb jede Geste der Solidarität wichtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2008)

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