Aus für „L'Unità“, die Zeitung von Italiens Linken

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90 Jahre nach der Gründung durch Antonio Gramsci stellt das einstige KP-Organ sein Erscheinen ein.

Im Februar hat sie noch ihren 90. Geburtstag gefeiert. Am Mittwoch ist sie mit lauter leeren Seiten erschienen – und mit der Schlagzeile: „Sie haben uns umgebracht!“ Morgen wird es sie gar nicht mehr geben: „L'Unità“ stellt ihr Erscheinen ein.

Gegründet wurde „Die Einheit“ (ergänze: der Proletarier aller Länder) von Antonio Gramsci als journalistischer Gegenpol zu Mussolinis Faschisten; sie wurde verboten, arbeitete im Untergrund weiter, und der dabei erworbenen Ruf des Heldentums im Eintreten für die „richtige“ Sache hielt die „Unità“ immer aufrecht – auch als sie nach 1990 nicht mehr als KP-Organ auftreten konnte, sondern ein modernes, offenes Debatten- und Kulturblatt für Italiens Linke sein wollte.

Bei der „Unità“ – in ständigem Wettbewerb mit dem kriselnd fortbestehenden kommunistischen „Manifesto“ – schrieben alle einschlägigen Intellektuellen; die „Feste dell'Unità“, die sommerlichen Festivals, mit denen die Kommunisten ursprünglich ihr Parteiblatt finanzieren wollten, wurden kulturelles Gemeingut in vielen Städten. Dennoch kamen der „Unità“ die Leser abhanden. 261.000 waren es in Spitzenzeiten, zuletzt schrumpfte die verkaufte Auflage auf 21.300. Auch die staatliche Förderung von 3,6 Millionen Euro im Jahr – die „Unità“ erhielt so viel wie keine andere – konnte nicht mehr helfen.

In der Redaktion verlieren 80 Personen den Job. Sie beschuldigen „ihre“ Partei, den Partito Democratico von Regierungschef Matteo Renzi, „nicht viel“ zur Rettung getan zu haben; die Unternehmer, in deren Hände man die Zeitung vor einigen Jahren gegeben habe, hätten sie „skrupellos“ in ein Defizit von 30 Millionen Euro geführt, während die Redakteure „die Fahne hochgehalten“ hätten. Die Linken Italiens – und auch manche Rechte – vergießen nun öffentliche Tränen: Mit der „Unità“ schwinde die Meinungsvielfalt dahin. Renzi verspricht, das Blatt wieder aufleben zu lassen. Wenige glauben ihm.

Bezeichnend für die Stimmung im Land ist, wohin sich Italiens Leser heute wenden. Die beiden einzigen Tageszeitungen, deren Auflagen steigen, sind „Il Sole 24 Ore“, das vom Industriellenverband herausgegebene Wirtschafts- und Finanzblatt, und „L'Avvenire“, die Tageszeitung der katholischen Bischofskonferenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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