"Süddeutsche.de" sperrt Postingfunktion

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Die "Süddeutsche Zeitung" ändert ihre Online-Debattenkultur radikal. Derweil kündigt die Boulevardzeitung "Österreich" an, nur mehr Posts mit Klarnamen auf ihrer Webseite zu erlauben.

"Wer Klartext spricht, lebt gefährlich". Ein Text über die Einschränkung der Redefreiheit in Russland war am Dienstag für einige Stunden der Aufmacher auf dem Onlineportal Süddeutsche.de. Dabei stolperten Medienbeobachter beinah über den Titel, denn er passte auch ganz gut auf die Ankündigung der deutschen Qualitätszeitung rund um den Umgang mit Postings. In der Nacht auf Dienstag kündigte Süddeutsche.de einen radikalen Schritt in ihrer Online-Debattenkultur an: Ab sofort werden die Kommentarfunktionen unter allen Artikeln gesperrt. Stattdessen soll sich ein eigenes Debatten-Team gezielt um die Anliegen und Vorschläge der Leser von Zeitung und Webseite kümmern.

Konkret bedeutet das:

* Es gibt keine Postings unter jedem Artikel

* Es wird jeden Tag zwei bis drei moderierte Diskussionsforen zu bestimmten Themen geben, in die von themenbezogenen Artikeln verlinkt wird.Technisch betrieben werden diese Foren über das Diskussionsnetzwerk Disqus.

* Um eine sachliche Diskussion zu gewährleisten, hat das Team von Süddeutsche.de grundsätzliche Regeln formuliert.

* Zusätzlich zum klassischen Leserbrief, der gedruckt sowie online veröffentlicht werden soll, werden Leser künftig konkrete Fragen an die Redaktion stellen können und regelmäßig Leseraktionen gestartet werden.

* Weiterhin kommentieren und austauschen können sich die Leser auf allen Süddeutsche.de-Seiten in den diversen Sozialen Netzwerken. Unter jedem Artikel wird angezeigt, wie dieser gerade in den sozialen Netzwerken diskutiert wird.

Für all diese Veränderungen bekommt die Zeitung am Tag eins ihrer neuen Ankündigung viel Lob, aber auch Kritik zu hören. So sehen viele die Meinungsfreiheit gefährdet und das Medium vor Kampfpostern und Trollen kapitulieren. Digitalexperten aber applaudieren großteils. Der Dialog mit den Lesern im Netz funktioniere nur, wenn man ihn moderiert.

oe24 ruft Klarnamenpflicht aus

Auch in Österreich kündigte am Dienstag ein Medium Änderungen im Umgang mit seinen Online-Lesern an. Eigentlich wollte die Boulevardzeitung "Österreich" schon im Juni damit beginnen, auf seinem Online-Portal oe24.at Klarnamen einzuführen - nun wurde Anfang September daraus. Künftig dürften nur mehr jene User etwas posten, die unter ihrem echten Namen schreiben, gab oe24.at in einer Aussendung bekannt. Bei allen Postings werden Vor- und Nachnahmen angezeigt, zusätzlich werden sie vor der Veröffentlichung nach internen Kommentarrichtlinien kontrolliert.

Mit der Umstellung auf Klarnamen erhoffe man sich eine wesentliche Verbesserung der "Qualität der Diskussionen", wie oe24-Geschäftsführer Niki Fellner zitiert wird. "Die Klarnamen sind auch ein klares Zeichen gegen anonyme Hass-Postings, die wir auf 'oe24.at' nicht tolerieren."

Telefonnummer (noch nicht) Pflichtfeld

Bei der Registrierung ist ab sofort zusätzlich die Telefonnummer als Pflichtfeld angeführt, über die man den Klarnamen sicherstellen werde, wie Fellner auf APA-Nachfrage erklärte. "Wir werden das stichprobenartig durch Anrufe überprüfen."

Derzeit ist die Angabe der Telefonnummer noch nicht Pflicht, man kann sich noch ohne Angabe dieser registrieren. Und derzeit kann man sich auch noch aussuchen, unter welchem Benutzernamen die Postings erscheinen sollen.

"Die Meinungsmutigen" gegen Werbe-Geld für Postings

Hintergrund der Einführung der Klarnamenpflicht ist die Initiative "Die Meinungsmutigen": "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner und Unternehmer Wolfgang Rosam wetterten vor allem gegen den "Standard", dem sie "Menschenjagd" und "Troll-Postings" vorwarfen und starteten die Kampagne "Kein Werbe-Euro für Hass-Postings".

(APA/Red.)

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