Ist das Internet „kaputt“, wie Sascha Lobo behauptet? Zerstört dessen Konkurrenz die Redaktionen? Oder ist es eine Chance? Bei ihrem Kongress in Wien diskutiert die Branche über die digitale Zukunft.
Im Learning Center von Zaha Hadid auf dem neuen Campus der WU Wien wird ab heute über die Zukunft der Medien diskutiert. Ein passender Ort für ein Diskussionsforum, bei dem Vertreter einer Zunft nichts weniger diskutieren als Überlebensstrategien in einer immer stärker digitalisierten Welt. Dazu hat man sich bekannte Namen eingeladen – etwa Deutschlands Vorzeigeblogger Sascha Lobo, der bislang das Internet als das ideale Medium für Demokratie, Freiheit und Emanzipation gepriesen hat. Doch Spähangriffe, Wirtschaftsspionage und Kontrollen hätten ihn desillusioniert: „Das Internet ist kaputt“, resümierte er im Jänner in einem viel diskutierten „FAZ“-Beitrag, weil es die Grundlagen einer freiheitlichen Gesellschaft zerstöre. Mittwochfrüh wird Lobo bei den Medientagen über „Die digitale Illusion“ sprechen. Und das vor Vertretern einer Branche, die doch gerade noch dabei ist, sich mehr oder weniger zwangsweise mit den digitalen Herausforderungen anzufreunden.
Dem Thema „Transformation durch Innovation“ werden sich Gruner+Jahr-Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel und Burda-Media-Vorstand Philipp Welte beim Kongress widmen. Jäkel steht aktuell wegen des geplanten Abbaus von 400 der derzeit 2400 Mitarbeiter unter Beschuss. Die Redaktion des „Stern“ reagierte darauf mit einem offenen Brief und warnte davor, dass dieser „brutale Einschnitt“ die Redaktion „nachhaltig beschädigt“. Der Grund für den harten Einschnitt: Die Abwanderung von Lesern und Anzeigenkunden ins Internet.
Vorerst herrscht die Angst
Seit Jahren sucht die Branche auf ihren Kongressen eine Antwort auf dieses Problem. Eines der digitalen Feindbilder ist dabei der US-Internetriese Google. Dort hat man das Thema erkannt – und schickt den Director Print Content Partnership (internationale Print-Kooperationen), Santiago de la Mora, zu den Medientagen. Er will mit seinem Vortrag zum Thema „Wie Technologien unser tägliches Leben verändern – Chancen für die Verlagsbranche“ für mehr Vertrauen werben. Mit dieser Botschaft wird er es nicht leicht haben vor dem zu erwartenden Auditorium. Mathias Döpfner, Vorstandschef der Axel Springer AG, sprach in der „FAZ“ aus, was viele denken: „Wir haben Angst vor Google.“
De la Mora nimmt die Kritik an Google gelassen: „Wir sehen uns eindeutig als Partner der Verlage“, sagt er. Das professionelle Nachrichtenwesen sei noch lange nicht überholt. „Besonders qualitativ hochwertige Inhalte sind für das Publikum und die Gesellschaft wichtig. Unser Ziel ist, die User bei ihrer Suche danach zu unterstützen und die Inhalte der Verleger auffindbar zu machen.“
Außerdem könne Google Verlagshäusern mit technischem Support helfen, „ihre Inhalte besser zu vermarkten und den Ertrag aus ihren Webauftritten zu steigern“. Hier tritt Thomas Mendrina auf den Plan, der beim Google-Adserver Doubleclick für digitale Werbung zuständig ist und bei den Medientagen in einer der spezialisierten Diskussionsrunden sitzt – zum Thema „Die Media Roboter“. Es geht um automatischen Verkauf von Werbung im Internet – 30 bis 35Prozent der Nachfragen werden 2020 automatisiert ausgeliefert werden, so Mendrina.
Wird es also bald keine Anzeigenverkäufer oder Mediaagenturen mehr geben? „Doch, die wird es immer geben“, sagt er: „Die Auswahl, in welchem Umfeld man eine Kampagne schaltet, werden immer Menschen treffen.“ Der Computer allein schaffe das nicht. Die Arbeit aber werde sich verändern: „Künftig geht es mehr um die Analyse von Daten wie zum Beispiel Klickraten.“ Google selbst wisse von seinen Usern als Person „gar nichts“, sagt Mendrina – im Gegensatz zu E-Commerce-Anbietern, die über eine „große Datenfülle“ verfügen und daher zielgerichtet jedem Nutzer die passende Werbeanzeige zeigen können.
DIE MEDIENTAGE
Re-Invent Media. Unter diesem Motto stehen die Medientage, die von 16. bis 18. 9. an der WU Wien stattfinden. Vortragende sind u. a. Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Thomas Rabe (Di, 11Uhr: „Chancen und Herausforderungen eines internationalen Medienunternehmens im Zeitalter der Digitalisierung“), Sascha Lobo (Mi, 9.30: „Die digitale Illusion“), Santiago de la Mora (Mi, 10.30: „Wie Technologien unser tägliches Leben verändern“).
Der Open Media Space am Donnerstag (9.30 bis 14 Uhr) ist ein offenes Forum für junge Menschen, die sich für eine Tätigkeit in Medien, IT- und Kommunikationswirtschaft sowie Creative Industries interessieren. Der Eintritt für diesen Teil der Veranstaltung, bei der sich Medien, Kreativwirtschaft und Verbände präsentieren, ist frei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2014)