Österreichische Filme bietet der US-Streamingdienst zum Start nicht. Dennoch will Chef Reed Hastings jeden dritten Haushalt erreichen.
Binge-Presenting könnte man nennen, was Netflix diese Woche in Europa tat: Von Montag (Frankreich) bis Freitag (Belgien) ging der Streamingdienst, für den das Wort „Binge-Watching“, das „Serien-Komaschauen“ erfunden wurde, täglich in einem anderen Land online; und am Mittwoch war Österreich dran. Die Suite in einem Wiener Luxushotel wurde zu einer Netflix-Wohnung, mit Flat-Screen im Wohnzimmer, Spielkonsole im Ankleideraum und iPad in der Küche – und überall war natürlich der Streamingdienst abrufbar.
Fast zeitgleich diskutierte die TV-Konkurrenz bei den Medientagen über den abwesenden Dritten. Bei Netflix hat man, wie zwischen den Zeilen zu hören war, nicht nur deshalb den Eindruck, dass man in Österreich kritischer begrüßt werde als in anderen Ländern. Markus Breitenecker (Puls 4) sagte: Es sei zu begrüßen, wenn ein neuer Player auf den Markt komme, nur so könne sich der weiterentwickeln. Richard Grasl (ORF) verwies darauf, dass der ORF mit seiner neuen Online-Videoplattform Flimmit für Netflix gewappnet ist – auch wenn die erst im ersten Quartal 2015 online geht. Bezahlsender Sky wiederum freut sich nach wie vor, dass man die Rechte an Netflix' aktuellem Seriendiamanten „House of Cards“ besitzt. Vielleicht betonten deshalb in der Modellwohnung die Netflix-Chefs so häufig, dass ihre ebenfalls hausgemachte Serie „Orange is The New Black“ längst erfolgreicher als „House of Cards“ sei.
Reed Hastings hat Netflix vor 20 Jahren als DVD-Zustelldienst gegründet. Mit wachem, überaus freundlichem Blick erzählte er am Mittwoch von seinen Plänen. Jeden dritten Deutschen will Hastings in sieben Jahren als Kunde gewonnen haben. Das gelte im Grund auch für Österreich, sagt er: „Aber wir glauben, dass wir das in Österreich schon ein bisschen schneller schaffen können.“ Wer möchte, kann Netflix auch mit seinem Facebook-Profil verbinden. Hastings sagt, er versteht die Sicherheitsbedenken vieler Menschen nach den Snowden-Enthüllungen, niemand müsse diese Funktion nützen. Mehr will er zu Facebook nicht sagen, „da bin ich nicht unabhängig, schließlich sitze ich im Aufsichtsrat“.
Und wie unterscheidet sich das Programm in Österreich von dem in Deutschland? (Noch) gar nicht. Zum Start sind so gut wie keine österreichischen Inhalte abrufbar, der angekündigte Oscar-prämierte Film „Amour“ von Michael Haneke war Mittwochnachmittag nicht zu finden. Aber Schwarzenegger-Filme habe man im Programm, betont der Pressesprecher lächelnd – stimmte dann aber zu, diese seien eher kalifornischer, nicht österreichischer Herkunft. Groß ist das Angebot an US-Filmen und -Serien („Suits“, „Breaking Bad“, „The Walking Dead“), aus Deutschland kommen viele Filme („Stromberg“, „Keinohrhasen“), Serien („Weissensee“, „Mord mit Aussicht“) und besonders viel Comedy. Inhalte, die aber auch der deutsche Streamingdienst Maxdome im Angebot hat.
Inhaltlich kann Netflix noch nicht überzeugen, dafür punktet der Dienst mit der einfachen Bedienbarkeit, Zweisprachigkeit bei fast allen ausländischen Produktionen (englische Untertitel gibt es nur hie und da) und dem Algorithmus im Hintergrund, der alle Nutzerdaten speichert. Programmchef Ted Sarandos sagte: „Schon morgen wissen wir mehr darüber, was das österreichische Publikum mag.“
AUF EINEN BLICK
Der Film- und Serienstreamingdienst Netflix ging gestern, Mittwoch, auch in Österreich online. Für 7,99€ pro Monat ist der Zugang auf einem Gerät (auf so gut wie allen TV-Geräten seit 2012, PCs, Spielkonsolen, Tablets, Smartphones) erhältlich, für 8,99€ einer für zwei Geräte und in HD-Qualität, für 11,99€ einer für vier Geräte und 4K-Qualität. Der erste Monat ist gratis. Es wird nur eine Handvoll österreichischer Inhalte zu sehen sein, dafür Netflix-Serien wie „Orange Is the New Black“ und die ersten zwei Staffeln von „House of Cards“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2014)