"Widerstand gibt es immer": Wrabetz will den ORF umbauen

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz(c) Die Presse/Stanislav Jenis
  • Drucken

Interview. Der ORF-Generaldirektor plant Veränderungen in der Geschäftsführungs-Struktur. Österreichs Song-Contest-Vertreter 2015 soll in einem neuen Show-Format bestimmt werden.

Die Presse: Es gibt im Stiftungsrat Sorge, der Songcontest könnte den ORF teurer kommen als die zuletzt veranschlagten netto 15 Millionen Euro. Sind Sie sicher, dass es letztlich nicht doch mehr wird?

Alexander Wrabetz: Die Sorge kommt daher, dass in Dänemark die Kosten überschritten wurden, in anderen Ländern teilweise auch. In Dänemark lag das am Neubau der Halle: Sie haben im September noch nicht gewusst, wo sie den Songcontest veranstalten werden – im November hat man sich für die alte Schiffswerft entschieden, erst dann hat man zu bauen begonnen. Das ist extrem kurzfristig. In Baku musste man eine Halle komplett neu errichten. Dieses kostentreibende Element ist für uns abzuhaken: Wien stellt die Halle und kümmert sich um alle nötigen Umbauten.

Es wird doch auch andere unsichere Kostenfaktoren außer der Halle geben?

Das kann einem niemand abnehmen, das betrifft auch die Erlöse: zum Beispiel die Frage, zu welchem Preis man die Tickets verkaufen kann, und wie viele. Das weiß man nicht. 13.000 Besucher werden beim Songcontest in die Stadthalle passen – weniger als die sonst 16.000, weil die Bühne größer sein wird und auch Platz für den Green Room bleiben muss, wo die Kandidaten mit ihren Teams sitzen und jubeln, wenn sie Punkte bekommen. In Wien mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die insgesamt für Proben und Liveshows ca. 100.000 aufgelegten Tickets auch verkaufen, bzw. die zu erwartende Auslastung jedenfalls besser als in Innsbruck mit seinen 120.000.

Waren Sie denn gleich erfreut über den Sieg von Conchita Wurst – oder schockiert, weil das ja auch viel Arbeit ist?

Es hat sich ja schon abgezeichnet, dass die Chancen gut sind. Es ist natürlich eine riesige Herausforderung, aber gleichzeitig eine unglaubliche Chance, schließlich ist der Songcontest das weltgrößte Fernsehunterhaltungsevent. Ja, ich habe mich sehr gefreut, dass wir dieses gestalten können.

Wird der ORF diesmal wieder allein entscheiden, wer Österreich vertritt?

Wir wollen das als breiten Contest anlegen. Tom Neuwirth, später Conchita Wurst, hätte ohne seine Teilnahme bei "Starmania" und der "Großen Chance" auch nicht diese Möglichkeit gehabt, sich zu entwickeln. Auch Julian Le Play oder Christina Stürmer sind aus solchen Auswahlverfahren hervorgegangen. Es soll diesmal aber nicht die übliche Castingshow sein, keines der bestehenden Formate, sondern etwas Neues.

Seit März ist der Posten des Ö1-Chefs vakant. Wann wird nachbesetzt?

Wir brauchen erst Klarheit über die Ö1-Struktur. Die Position jetzt so zu besetzen, wie sie ausgeschrieben war, würde nicht alle Fragen beantworten, die notwendig sind. Ö1 ist eines unserer wichtigsten Standbeine, aber wir haben dort keine Channel-Manager-Struktur. Was derzeit ausgeschrieben ist, ist eine Art Koordinatorfunktion.

Sie wollen im ganzen ORF das Prinzip von Channel-Managern durchsetzen. Warum?

Das hat sich bei Ö3, FM4 und auch schon bei ORF III bewährt. Ein Ö1-Chef würde nach diesem Modell die Möglichkeit haben, über das Budget, das Personal und die Richtlinien für das Programm zu entscheiden. Der derzeit ausgeschriebene Koordinator hat kein eigenes Budget, sondern das haben die verschiedenen Hauptabteilungen und Abteilungen, die er koordiniert.

Das hat bisher aber ganz gut funktioniert. Oder nicht?

Bisher ist die Frage nicht so stark zutage getreten, weil vor allem Alfred Treiber in Personalunion als Ö1-Koordinator auch die Kulturabteilung geleitet hat – und das ist eine der größten Abteilungen. Es war daher ein bisschen so, als wäre er Channel-Manager, und alle haben geglaubt, er wäre es. Aber wenn diese Positionen, Ö1-Chef und Kulturchef, nicht zusammenfallen, kann das so nicht funktionieren. Im Kern geht es jetzt darum: Besetzt man den Posten, und macht man dann eine Strukturreform? Dann muss man später noch einmal ausschreiben. Oder macht man das in einem Schritt?

Warum ist Ihnen gerade jetzt der Umbau von Ö1 so wichtig?

Wir müssen bei Ö1 ein paar Akzente setzen. Es ist der erfolgreichste Kultursender Europas, aber es sind Schritte notwendig. Wir arbeiten da noch mit einem Programmschema aus dem Jahr 1995. Da braucht es keine großen Veränderungen, aber Weiterentwicklungen.

Sie haben ATV nach dessen Austritt aus dem Verband der Privatsender eine Zusammenarbeit angeboten. Wie könnte diese aussehen?

Die Krise im VÖP hat sich ja abgezeichnet. Wir haben immer gesagt: Das Problem des VÖP ist, dass er stark die Interessen der deutschen Privatsender vertritt – selbst auf Kosten der eigenen Mitglieder. Ich glaube, dass es für die öffentliche Debatte ganz gut ist, dass das nun auch von ATV bestätigt ist. ATV ist der österreichische Privatsender, der nicht in eine internationale TV-Gruppe eingebunden ist – und da wollen wir die Gemeinsamkeiten weiterpflegen. Zum Beispiel bei der Frage der HD-Verbreitung – in solchen Fällen kann man punktuell an einem Strang ziehen. Und wir sind auch so wie ATV der Meinung, dass es eine Must-Carry-Regelung für ATV2 geben sollte.

Nun sind die Privatsender zerstritten. Da werden die Chancen auf den von Ihnen erhofften Schulterschluss gegenüber internationalen Playern nicht steigen.

Das sind zwei verschiedene Dinge: Das eine ist, dass wir als österreichische TV-Anbieter gemeinsam für unsere Interessen gegenüber deutschen TV-Konzernen eintreten. Wir wollen uns einfach als kleine Österreicher auf einem Markt behaupten, wo die Deutschen einstrahlen – da haben wir gemeinsame Interessen mit ATV. Das andere ist: Google etc. versus die österreichischen Medien insgesamt. Das betrifft aber mehr den Printbereich als uns. Wir arbeiten hart an einer gemeinsamen Content-Plattform mit dem Printsektor – damit Webseiten von Printmedien unseren Content zu bestimmten Konditionen online bringen können. Das könnte noch heuer stehen.

Ihr Finanzdirektor, Richard Grasl, hat unlängst laut darüber nachgedacht, ob der ORF die Formel 1 noch braucht. Wollen Sie darauf verzichten?

Natürlich prüfen wir jeden Erwerb von Sportrechten und jede Verlängerung ganz genau. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass wir die Formel 1 haben, da sie doch jetzt mit Spielberg, Red Bull und Niki Lauda so österreichisch wie nie ist. Das ist spannend und publikumsmäßig erfolgreich. Der Vertrag läuft bis 2016 – was Grasl gemeint hat, ist, dass wir zeitgerecht evaluieren, ob es dann zu dem Preis möglich und sinnvoll ist, den Vertrag fortzusetzen.

Wie wichtig ist denn Sport-Content für den ORF, etwa die Champions League?

Es ist richtig, sich die Frage zu stellen: Hat man für diese Kosten, die nicht gering sind, alternative Programme, die mehr Publikum, mehr Eigenständigkeit und mehr Programmprofil bringen? Diese Frage muss man sich aber bei allem stellen. Was die Champions League betrifft: Wir gehen davon aus, dass wir sie haben werden und ab nächstem Jahr ausstrahlen. Live-Events sind wichtig. Wir stehen vor großen Veränderungen, das zeigt auch der Einstieg des US-Videodienstes Netflix in den österreichischen Markt. Klassische US-Serien und Filmprogramme verlieren an Wertigkeit: Die Wiederholbarkeit nimmt mit jeder zusätzlichen Plattform ab, auf der diese abgespielt werden. Daher gewinnen Live-Ereignisse – ob Sport oder Unterhaltung – an Wertigkeit.

Wer soll denn in der neuen Struktur des ORF über solche Fragen entscheiden?

Bei ORF III hat sich das Channel-Management bewährt: Da gibt es einen klar Verantwortlichen, der nach der vorgegebenen Strategie und unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen in hoher Selbstständigkeit sein Programm gestaltet. Das haben wir in ORF eins nicht. Eigentlich müsste aber ein ORF-eins-Manager, der für sein Programm verantwortlich ist, sagen, ob er für sein Senderprofil und sein Programm die Formel 1 braucht oder nicht – und er müsste das dann auch verantworten. Daher werden wir diese Strukturveränderungen in den nächsten Monaten vorantreiben.

Wenn jeder Channel seinen Manager hat – also einen für ORF eins, einen für ORF2 etc. –, braucht man dann nicht auch eine neue Direktorenstruktur?

Wir wollen die vier Kernbereiche Information, Kultur, Sport und Unterhaltung in Zukunft auch medienübergreifend betrachten – die Trennung der Bereiche Fernsehen, Radio und Online verschwimmt ja in Zukunft. Dann gibt es also die vier Genres und die Channels – welche Geschäftsführungsstruktur dazupasst, das beginnen wir jetzt auszuarbeiten. Wir wollen das so vorbereiten, dass das in der nächsten Geschäftsführungsperiode so aufgestellt werden kann.

Da ist aber mit Widerstand zu rechnen.

Das ist immer so am Beginn eines Change-Prozesses.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ORF-STIFTUNGSRAT: AMON / WRABETZ
Medien

Ö1: Neue Leitungsstruktur womöglich schon im Herbst

ORF-Radiodirektor Karl Amon kündigte eine Channel-Struktur wie auch bei Ö3 und FM4 an. Der Betriebsrat reagierte verärgert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.