Deutschland: Elektronische Presse bleibt vorerst eine Utopie

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Ministerpräsidenten schieben der Expansion von ARD und ZDF im Internet einen Riegel vor.

Das Ding nennt sich auf gut Fachchinesisch „12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag“, ist aber seit Monaten Gegenstand einer hitzigen Debatte in der deutschen Medienbranche. Denn hinter dem sperrigen juristischen Terminus verbirgt sich nichts anderes als der Kampf um die Vorherrschaft im Internet zwischen der Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Anstalten.

„Zwei-Klassen-Medienlandschaft“

Weil sie die jugendlichen Zuseher zunehmend an die virtuellen Weiten des World Wide Web verlieren, versuchen ARD und ZDF, sie mit einer Reihe von Onlineangeboten an ihre Internetdienste zu binden. Dagegen laufen jedoch die Zeitungsverlage und die Privatsender Sturm, wittern sie doch unlauteren Wettbewerb. Denn die Öffentlich-Rechtlichen wollen ihre Expansion im Internet mit Gebührengeldern finanzieren. Bisher flossen 0,75 Prozent der Einnahmen aus den Fernsehgebühren in die Online-Ausgabe von ARD und ZDF.

In der Folge entspann sich eine Kontroverse, in die sich zuletzt auch die EU-Medienkommissarin Viviane Reding zu Gunsten der Printmedien und der Privaten eingeschaltet hat. Springer-Chef Mathias Döpfner („Bild“, „Welt“) erklärte sich zum Fürsprecher der kleineren Verlage, die durch die gebührenfinanzierte Konkurrenz in ihrer Existenz bedroht würden. Michael Sommer, Chef des deutschen Gewerkschaftsbundes, warnte überhaupt gleich vor einer „Zwei-Klassen-Medienlandschaft“.

Die „elektronische Presse“, wie sie den öffentlich-rechtlichen Sendern vorschwebt, bleibt vorerst Utopie. Deutschlands Ministerpräsidenten, denen in der Streitfrage die Entscheidung zufällt, haben ein vorläufiges Machtwort gesprochen – und es richtet sich gegen die Expansion von ARD und ZDF.

Erlaubt ist die Bereitstellung von Informationsangeboten im Zeitraum von 24 Stunden bis maximal eine Woche. Unterhaltungsformaten schoben sie indes einen Riegel vor. „Es wird keine Kontaktbörsen, Beratungsdienste und Freizeit-Tipps bei ARD und ZDF im Internet geben“, bekräftigte Hessens CDU-Regierungschef Roland Koch als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Sein Kollege aus Rheinland-Pfalz, SPD-Chef Kurt Beck, sah das als ZDF-Aufsichtsratschef allerdings anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2008)

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