Privatsender: „Wir gehen dem ORF auf den Leim“

(c) APA (Harald Schneider)
  • Drucken

Während der ORF Millionen vom Staat einfordert, gehen Privatsender leer aus: „Ein Anschlag auf das duale System“, sagen sie. Im ORF brodeln Personalgerüchte.

Dieses „Monster“ von 100-Millionen-Euro-Minus, das just zu Zeiten von Regierungsverhandlungen die Bühne betritt, sei reine „Propaganda“. „Wir gehen alle dem ORF auf den Leim“, ärgert sich Martin Blank, Geschäftsführer des Privatsenders Puls4, beim Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) für Fernsehen verantwortlich. Während in den Reihen der Politik darüber nachgedacht werde, dem ORF ein millionenschweres „Trostpflaster“ zu verpassen (die durch Gebührenbefreiung entgangenen 57Millionen Euro jährlich zu überweisen), bekämen die Privaten „nichts“. Dabei war die elektronische Medienförderung fix versprochen, man habe mit einer Auszahlung der 20Millionen Euro noch im Jahr 2008 gerechnet.

40Mio. € „Akutförderung“ nötig

Nun fordert der VÖP eine Verdoppelung der Summe als „Akutförderung“ – 40Millionen Euro, die noch in diesem Jahr, spätestens aber 2009 ausbezahlt werden sollen, sonst könnten einige Private in arge Turbulenzen geraten. Die Privaten fordern – Seite an Seite mit dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) – von der Regierung mehr Umsicht: „Was jetzt passiert, ist ein Anschlag auf das duale System“, sagt Blank. Während die Privaten mit der schwierigen Finanz- und Werbekrise allein zurechtkommen müssen, fordert der ORF immer offener den gesamten Gebührenanteil, der an Bund und Länder geht, für sich (jährlich etwa 230Millionen Euro). Dazu eine Ausweitung der Werbezeit von derzeit 42 auf 50 Minuten, was den Privaten zusätzlich das Wasser abgraben würde. Wenn der ORF noch mehr „staatliche Beihilfen“ bekomme, werden die Privaten in eine „existenzbedrohende Situation“ geraten, warnt VÖP-Vorstand Christian Stögmüller. Sendereinstellungen drohen.

Der Öffentlich-Rechtliche solle lieber sparen und die Strukturreform angehen, statt die Hand aufzuhalten, findet Blank: „Beim ORF ist das Geld nicht knapp. Er gibt es nur für die falschen Dinge aus.“ Etwa für zu teures Personal, wie Blank mit Hilfe der offiziellen ORF-Homepage vorrechnet: Dort wird der Personalaufwand 2007 mit 407,4 Millionen Euro beziffert, die Zahl der Beschäftigten mit 3431 angegeben – ergibt einen Personalaufwand je Vollzeit-ORFler von 118.450 Euro im Jahr. Rechne man etwa 30 Prozent Lohnnebenkosten weg, bleiben noch immer 83.000 Euro. Im Durchschnitt. Das sei ein Beweis für die „Überprivilegierung“ des ORF, der seinen Mitarbeitern etwa doppelt so viel bezahle wie die Privaten.

Die Verleger stören vor allem die umfassenden Online-Aktivitäten des ORF. Der VÖZ fordert, dass der Sender seine digitalen Aktivitäten ausschließlich an sein Programm koppelt und Onlinewerbung auf maximal ein Prozent des Gebührenaufkommens beschränkt wird. Neue Services sollten erst nach Durchführung einer „Marktverträglichkeitsprüfung“ erlaubt werden, fordert VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger. Er plädierte für eine Privatisierung der Sendetechniktochter ORS und eine Beschränkung auf zwei Spartenkanäle.

Nur mehr ein Fernsehdirektor?

Unterdessen herrscht in der ORF-Kantine laut Ohrenzeugen „blanker Galgenhumor“, seit ORF-General Alexander Wrabetz das zu erwartende Minus für das heurige Jahr mit 100Millionen Euro beziffert hat. In einem an die Stiftungsräte gerichteten Schreiben listet eine nicht näher genannte „Gruppe von ORF-Mitarbeitern“ Probleme aus ihrer Sicht auf – darunter das „sündteure System von Doppelgleisigkeiten“ im Management der TV-Information, hohe Direktorengehälter, „teure, nicht unbedingt notwendige Dienstreisen“ oder die Programmpräsentation in der „teuren Hofburg“. Dass die Finanzkrise am Millionen-Minus schuld sei, sei „nur ein Teil der Wahrheit“ – selbst „einfache Programmvorhaben“ wie Olympia oder die Euro hätten „heuer nur noch aus Rücklagen finanziert“ werden können.

ORF-Sprecher Pius Strobl, der in dem Schreiben wegen seines Sondervertrags kritisiert wird, spricht von „Denunziantentum“. Vor allem aber ist der Brief ein Hinweis auf Nervosität im ORF. Geschürt wird sie durch Gerüchte, ein Teil oder das gesamte ORF-Direktorium könnten ausgewechselt werden. Die beiden Direktoren Elmar Oberhauser und Wolfgang Lorenz könnten einem Fernsehdirektor weichen, Finanzdirektorin Sissy Mayerhoffer solle ebenso gehen wie Radio-Chef Willy Mitsche und Online-Direktor Thomas Prantner, die ebenfalls durch nur einen Nachfolger ersetzt würden. Auch ORF-Chef Wrabetz, der dem Vernehmen nach mit SPÖ-Verhandler Josef Cap einen gewichtigen Fürsprecher hat, wird als möglicher Ablösekandidat gehandelt. Als Nachfolger hartnäckig im Spiel: Ex-ORF- und nun RTL-Chef Gerhard Zeiler.

Wrabetz setzt vorsorglich beim Programm den Sparstift an. Bereits seit längerem sei entschieden, dass es heuer eine „Licht ins Dunkel“-Gala gebe, so Strobl. Die „Wochenschau“ stehe „so wie vieles andere zur Diskussion“, man überlege, ob man sie „anders aufbereiten“ kann. „Heimat, fremde Heimat“ stehe „nicht zur Debatte“, aber auch hier denke man nach, „ob man es anders macht“. Die Champions League will der ORF „zu diesen Bedingungen“ nicht mehr übertragen – sie sei zu teuer, so Strobl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.