Österreich: Ein Drittel der Journalisten fühlt sich grün

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Erste repräsentative Befragung: Wie denken, arbeiten und verdienen Österreichs Journalisten?

Von Egon Erwin Kischs „rasendem Reporter“ zur entspannten Lifestylekolumnistin Carrie Bradshaw („Sex and the City“): so weit das Journalistenklischee 2008. Das Medienhaus Wien ist weiter – oder: näher an der Realität. Die Forschungsgesellschaft veröffentlicht heute die erste repräsentative Studie Österreichs zum Thema, den „Journalisten-Report II“. Autoren sind Daniela Kraus, Astrid Zimmermann, Andy Kaltenbrunner und Matthias Karmasin. In der ersten Ausgabe des „Reports“ waren vor allem soziodemografische Merkmale (Geschlecht, Alter, Bildung etc.) erhoben worden. Nun wurden 500 Journalisten zu Arbeitsbedingungen, Rollenverständnis, politischer Orientierung und Ethik befragt.

Die Ergebnisse: Journalisten verdienen viel – und arbeiten viel, zumindest mehr als der Durchschnittsösterreicher (1600 Euro pro Monat, 39,1 Stunden pro Woche). Ihre Arbeitszeit beträgt 45,2 Wochenstunden. Dafür verdienen Journalisten auch durchschnittlich 2216 Euro netto (Deutschland: 2300 €). Hinzu kommt, dass etwa ein Fünftel der Befragten die Auskunft nach dem Einkommen verweigert und darunter viele Dienstältere, also gut Bezahlte, sind. Journalisten stehen politisch deutlich weiter links als die Gesamtbevölkerung. Ähnlich wie in Deutschland fühlen sich die meisten von ihnen den Grünen nahe (34 Prozent), 30 Prozent sehen sich im Umfeld gar keiner Partei. 14 Prozent sympathisieren mit der ÖVP und neun Prozent mit der SPÖ. Zur Zeit der Befragung sei die Neuwahl im Herbst noch nicht angesetzt gewesen, so die Autoren. Und, so Kaltenbrunner mit Augenzwinkern: „Die Gesinnung der Journalisten schlägt sich offenbar nicht im Wahlergebnis nieder.“

Ihre Medien schätzen die Journalisten allerdings als deutlich weiter rechts ein, dies betrifft vor allem Tageszeitungen.

Das Vorurteil, Publizistikstudenten würden selten Journalisten, stimmt nicht – wenngleich Chefredakteure häufig behaupten, Fachstudenten (Geschichte, Politik etc.) vorzuziehen. Tatsächlich haben 29 Prozent der Journalisten, die einen akademischen Titel tragen, Publizistik studiert, zehn Germanistik, neun Politikwissenschaft und acht Prozent Geschichte.

Ein Viertel sieht sich als „Entertainer“

Die meisten österreichischen Journalisten sehen sich als „objektive Vermittler“ (69%), etwa ein Viertel bezeichnet sich als „Entertainer“, 16 Prozent fühlen sich als „Ratgeber“, 13 als „Kritiker“. Jeder Dritte stimmte der Aussage, es gehe darum, „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren“, „voll und ganz“/„überwiegend“ zu. Dieses Verständnis ist in Österreich deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland, sagt Kraus. Österreicher verstünden unter „Kritik und Kontrolle“ allerdings auch Medienkampagnen und Politiker-Bashing. Gewissenskonflikte haben 72 Prozent „nie“, 27 „manchmal“, ein Prozent hat sie „häufig“. 1994 (in diesem Fall liegen Vergleichswerte vor) waren es noch vier Prozent, die sich oft in der ethischen Zwickmühle fühlten.

KENNDATEN EINES BERUFS

Österreichs Journalisten sind zu 42% weiblich, 58% männlich. Etwa zwei Drittel haben keinen Hochschulabschluss. Knapp 70% sind zwischen 30 und 49 Jahren alt, 14% jünger als 29, 18% älter als 50. Zwei Drittel arbeiten für Printmedien, 17 für Radio, zehn für TV. 72% leben in Partnerschaften.

[Quelle: „Journalisten-Report I“, 2007]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2008)

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